Mehr Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan gefordert

Baden-Württemberg will Ampel zu schärferer Asyl- und Migrationspolitik drängen

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Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Auch die Grünen müssen in der Asylpolitik mehr Härte zeigen, fordert BW-Ministerpräsident Kretschmann. Nun will das Land der Ampel Beine machen - doch ohne Grenzrückweisungen.

Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg macht in der Asyl- und Migrationspolitik massiv auf Druck auf die Ampel im Bund. Die Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dringt in einer neuen Bundesratsinitiative auf rasche und umfangreiche Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan. Das Papier liegt dem SWR vor.

Mit dem Forderungskatalog geht das Land über sein erst jüngst beschlossenes Maßnahmenpaket zur Sicherheits- und Migrationspolitik deutlich hinaus. Die Initiative soll an diesem Freitag in Bundesrat eingebracht werden, wenn der Bundestag auch über das umstrittene Sicherheitspaket der Ampel entscheiden will.

BW-Landesregierung mahnt: Muss mehr Abschiebeflüge geben

In dem BW-Antrag für den Bundesrat heißt es, der Bund werde aufgefordert, "unter Ausschöpfung sämtlicher rechtlicher und tatsächlicher Möglichkeiten weitere Abschiebungen nach Afghanistan, insbesondere von vollziehbar ausreisepflichtigen Gefährdern und schweren Straftätern, zu ermöglichen". Ähnliches gilt für Syrien. Es dürfe nicht bei dem einen Abschiebeflug vom 30. August bleiben. Die Abschiebung in das von den radikal-islamische Taliban dominierte Afghanistan und in das Bürgerkriegsland Syrien stößt vor allem bei linken Grünen auf große Vorbehalte.

Die Landesregierung verlangt vom Bund angesichts des hohen Migrationsdrucks insgesamt neue Wege zu gehen. Wer in Deutschland Asyl beantrage, könne genauso gut in einen sicheren Drittstaat wie etwa die Türkei gebracht werden. Baden-Württemberg fordert die Ampel auf, diese Idee endlich in die Tat umzusetzen. "Das Recht auf Asyl schließt keine Wahlfreiheit im Hinblick auf den Staat der Schutzgewährung ein. Wer in Deutschland Asyl beantragt, könnte in einen sicheren Drittstaat überführt werden, wo ihm verlässlich Schutz gewährt wird", heißt es in dem Antrag weiter.

Vor Abschiebung die Möglichkeit zum Untertauchen unterbinden

Zudem drängt die Landesregierung darauf, ein Untertauchen von abgelehnten Asylbewerbern zu verhindern. So sollen solche Migranten, denen die Abschiebung droht, sich nur noch im Bezirk ihrer Ausländerbehörde aufhalten dürfen. Auch soll es künftig möglich sein, abgelehnte Asylbewerber bis zu 28 Tage vor der Abschiebung in Asylgewahrsam zu nehmen.

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Grün-Schwarz pocht zudem darauf, dass eine erst kürzlich von der Bundesregierung eingeführte Regelung zurückgenommen wird. Demnach muss allen Asylsuchenden, die in Ausreisegewahrsam oder in Abschiebehaft genommen werden sollen, zwingend eine Anwältin oder ein Anwalt zur Seite gestellt werden. Diese könnten zu den Flüchtlingen Kontakt aufnehmen und sie warnen, ist die Befürchtung, die Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) schon lange äußert.

Eine Verschärfung sei auch im Umgang mit Strafttätern und Gefährdern nötig. Wenn diese aus der Haft entlassen werden, sollen sie in sogenannte Ausreisezentren verlegt werden, selbst wenn ihre Abschiebung sich noch hinziehen könnte. "Dort müssen sie sich aufhalten, bis sie entweder abgeschoben werden oder sich freiwillig entscheiden, in ihr Heimatland zurückzukehren", heißt es in dem Papier weiter.

Keine Zurückweisungen an der Grenze, wie Merz sie fordert

Für die Bundesratsinitiative ist die grüne Regierungsseite nochmal deutlich auf den Koalitionspartner zugegangen, zum Beispiel bei der Einrichtung von Ausreisezentren. CDU-Landeschef Manuel Hagel sagte dem SWR, er freue sich über den Antrag, "den wir in nicht ganz einfachen Verhandlungen gegenüber unserem Koalitionspartner am Ende hinbekommen haben". So lehnten es die Grünen ab, die auch von CDU-Bundeschef Friedrich Merz geforderten Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze in den Antrag aufzunehmen.

Auch bei der Forderung nach einem Ende für das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan konnte die CDU sich nicht durchsetzen. In dem Papier steht lediglich, dass genau überprüft werden soll, ob eine Aufnahme und Integration in Deutschland möglich scheint. "Davon unbenommen ist die Aufnahme afghanischer Ortskräfte, die einen hinreichenden Bezug zu Deutschland aufweisen."

BW hat erst vor drei Wochen Sicherheitspaket vorgelegt

Erst vor gut drei Wochen hatte die Landesregierung als Reaktion auf den mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen in Nordrhein-Westfalen und die tödliche Messerattacke auf den Polizisten Rouven Laur in Mannheim ein eigenes Sicherheitspaket vorgelegt. Mit einer Reihe von Maßnahmen will die Regierung vor allem für eine bessere Überwachung von potenziellen Extremisten und schnellere Abschiebungen von Straftätern und abgelehnten Asylbewerbern sorgen. Zudem soll es ein neues Staatsschutz- und Anti-Terrorismus-Zentrum unter dem Dach des Landeskriminalamts (LKA) geben.

Zusammen mit den schwarz-grünen Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hat das Land zudem bereits zwei gemeinsame Bundesratsinitiativen im Bereich der Migrations- und Sicherheitspolitik eingebracht. Die drei Länder fordern nun zum Beispiel im Kampf gegen islamistische Terroristen, auf Verkehrsdaten zugreifen und diese auch länger speichern zu können.

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Auch die Bundesregierung reagiert auf die Anschläge in Solingen und Mannheim. Mit ihrem geplanten Gesetzespaket würde ein allgemeines Verbot von Messern auf öffentlichen Veranstaltungen eingeführt. Ausreisepflichtigen Asylbewerbern sollen Leistungen gestrichen werden, wenn nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes EU-Land für sie zuständig ist und einer Ausreise nichts entgegensteht. Bei Terror-Ermittlungen soll ein Abgleich biometrischer Daten im Internet möglich werden, wenn der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) dies von einem Gericht genehmigen lässt. Union und AfD gehen die Änderungen nicht weit genug, in der Koalition selbst gibt es teilweise Kritik an den Verschärfungen.

CDU-Landeschef Hagel warf der Ampel vor, so viel über Migration und Sicherheit gestritten zu haben, "dass die Menschen diese politische Kulissenschieberei nicht mehr ertragen können. Überall Ankündigungen - geschehen ist aber fast nichts". Wollten SPD, Grüne und FDP den "letzten Funken Glaubwürdigkeit" in der Migrationsfrage behalten, müssten sie dem Antrag aus Baden-Württemberg folgen.

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