Eine landesweite Projektgruppe unter Leitung der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) möchte in Baden-Württemberg Luchse wieder ansiedeln. Dabei spielt der Zoo Karlsruhe eine wichtige Rolle. Denn die Planung eines neuen Auswilderungsgeheges für den Nachwuchs von Luchsen im Karlsruher Tierpark Oberwald wurde jetzt abgeschlossen. Das Gehege wird voraussichtlich noch in diesem Jahr fertig.
Nachwuchs im Zoo Karlsruhe im Sommer erwartet
Aktuell gibt es mehr als 20 Zuchtpaare in Tiergärten des Europäischen Zooverbands (EAZA), deren zukünftige Jungtiere für Auswilderungen infrage kommen. Ein Paar lebt aktuell im Zoo Karlsruhe: die 2016 in Karlsruhe geborenen Eva und Viroel, der im Februar aus dem Zoo in Magdeburg hierher gebracht wurde. Im Zoo Karlsruhe wird schon im Sommer Nachwuchs erwartet. Luchsdame Eva hat Bissspuren im Nacken, die darauf hindeuten, dass sich die beiden Luchse schon näher gekommen sind.
Damit wäre der Nachwuchs des Paares Ende des Jahres im richtigen Alter, um den Weg ins Auswilderungsgehege zu machen. Etwa sechs bis acht Monate lang bleiben die Jungtiere bei ihrer Mutter. Dann verbringen sie etwa sechs weitere Monate im Auswilderungsgehege, bevor sie dann in die Freiheit entlassen werden können. Die Entscheidung, ob Luchse ausgewildert werden können, trifft der Zoo aber nicht selbst. Vorab wird mit Eignungstests geprüft, ob sie nicht zu zahm geworden sind und sich nicht zu sehr an Menschen gewöhnt haben.
Luchse sollen abgelegen von Menschen leben
Um vorher möglichst auf die Umstände in der Natur vorbereitet zu werden, braucht es das Auswilderungsgehege in Karlsruhe. Es soll abseits der Besucherwege im Wald errichtet werden, damit die Tiere ohne Kontakt zum Menschen aufwachsen und so möglichst selbstständig leben können. "Sie müssen scheu sein", so Zoodirektor Matthias Reinschmidt im Gespräch mit dem SWR. "Wir können keine alten Zooluchse auswildern." Auch die Mitarbeitenden des Zoos haben keinen direkten Kontakt mit den Tieren. Um die jungen Luchse dennoch im Blick behalten zu können, werden in dem Gehege Kameras aufgestellt.
Völlig abgelegen von menschlichem Einfluss leben die Tiere aber nicht. In der Nähe des Geländes ist der Straßenlärm der A5 deutlich zu hören. Auch daran müssten sich die Luchse gewöhnen, erzählt Reinschmidt. "Die Luchse müssen solche Geräusche kennen, damit sie dann auch mit umgehen lernen." Das schützt die Tiere zum Beispiel davor, überfahren zu werden, so wie es einem Luchs Anfang Januar auf der A8 bei Remchingen passiert ist.
Ernährung soll Luchse auf Wildnis vorbereiten
Die Tiere werden auch mit ihrer Ernährung an die Herausforderung der Wildnis herangeführt. "Wir werden hier hauptsächlich mit Rehwild arbeiten, mit Ganzkörperfütterungen, sodass das Tier auch lernt, einen ganzen Tierkörper aufzunehmen und auch mehrere Tage an so einem Tierkörper frisst", erklärt Marco Roller, Tierarzt und Kurator des Tierparks im Karlsruher Oberwald. Nach Angaben des Karlsruher Zoos kommen die Rehe von lokalen und regionalen Jägern, denen öfter im Straßenverkehr umgekommenes Wild gemeldet wird.
Die geschätzten Baukosten liegen laut Zoo Karlsruhe bei rund 300.000 Euro und sie werden vom WWF Deutschland, der Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe sowie aus Projektgeldern des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) bezahlt. Darüber hinaus sind auch die FVA in Freiburg und der Landesjagdverband BW Teil des Projekts.
Besonders weibliche Luchse sollen ausgewildert werden
Das Projekt ist laut Reinschmidt besonders daran interessiert, weibliche Luchse auszuwildern. Bis zu vier Männchen aus der Schweiz hätten schon Reviere in Baden-Württemberg besetzt. Denn die männlichen Tiere hätten eine Tendenz, sich auszubreiten.
"Die Luchse, die aus der Schweiz auswandern, wissen nicht, dass es in Deutschland keine Luchse mehr gibt", erzählt Reinschmidt. "Die suchen einfach neue Reviere und hoffen dann, dass ein Mädel vorbeikommt." Die Weibchen hingegen blieben in der Nähe ihres Geburtsortes.
Im vergangenen Dezember wurde Luchs Finja als erstes Weibchen im Rahmen des Projekts im Nordschwarzwald ausgewildert. Dort soll sie auf den dort ansässigen männlichen Luchs Toni treffen, der schon 2019 von der Schweiz in den Schwarzwald ausgewandert war. Mit Gentests wird festgestellt, ob die Tiere bei einer Auswilderung wie im Fall von Finja und Toni zusammenpassen. Damit soll Inzucht vermieden werden.