Noch bevor der Klöppel überhaupt fertig geschmiedet ist, drücken seine Schmiede ihm schon einen Stempel auf. Er wird in den heißen Stahl geschlagen und zeigt selbst einen kleinen Klöppel. Daneben die Buchstaben "S" und "N" - sie stehen für Armin Schulz und Bernhard Nebel, die beiden Klöppelschmiede.
Vom Stück Stahl zum Klöppel
Das ist gegen 8 Uhr am Morgen. Zu diesem Zeitpunkt haben die beiden Männer schon gut zwei Stunden hinter sich. Denn so ein Klöppel nimmt einige Stunden in Anspruch, bis er fertig ist. In diesen Stunden formen die beiden Schmiede ihn aus einem Stück Stahl zu einem stählernen Schwungzapfen, der einmal eine Glocke zum Klingen oder gar zum Singen bringen soll. Denn das macht einen guten Klöppel aus, sagt Schmied Armin Schulz.
Klöppel waren früher Mangelware
Wie der perfekte Klöppel aussehen muss, damit die Glocke singt, wissen nur eine Handvoll Schmiede in Deutschland. Das Besondere an den Karlsruhern: Sie denken in Glocken, nicht nur in Klöppeln. Denn beide haben als Glockengießer angefangen. Nach einigen Jahren in einer Glockengießerei entdecken sie schließlich eine Marktlücke und tun sich zusammen. Bernhard Nebel erinnert sich:
Zusammenarbeit der Schmiede ohne viel Worte
Die beiden Männer gründeten schließlich einen Betrieb und spezialisierten sich auf Klöppel - "einfach so", wie Nebel mit Leichtigkeit erzählt. Die zieht sich auch durch die gemeinsame Arbeit. Neben dröhnenden Hämmern und dem Knistern der heißen Kohlen im Schmiedefeuer arbeiten die Schmiede fast wortlos zusammen.
Anweisungen brauchen sie kaum noch. Nach fast 20 Jahren im gemeinsamen Betrieb verstehen sich Armin Schulz und Bernhard Nebel ganz ohne Worte. Der eine macht den Kreidestrich, der andere weiß, was er zu tun hat. Alle Handgriffe sitzen, bis alles gerade und korrekt proportioniert ist. Bernhard Nebel sagt dazu noch, er würde den Job mit niemand anderem machen wollen.
Die beiden Schmiede sind auch auf sich alleine gestellt. Die "anderen Kollegen" funktionieren alle elektrisch - zum Beispiel Schmiedehammer Johann. Der hat nicht nur einen Namen, sondern auch einen Charakter, erklärt Armin Schulz. "Den bringt eigentlich nix aus der Ruhe. Ein zuverlässiges Gerät", sagt er. Und auch die anderen Werkzeuge haben Persönlichkeit: Sie sind alle selbst geschmiedet. Maßanfertigungen. Fast alles in der Werkstatt ist Marke Eigenbau - auch der Ofen.
Glocken aus Karlsruhe weit verbreitet
Und das Konzept funktioniert: In ihrer Werkstatt im Nordwesten von Karlsruhe haben Armin Schulz und Bernhard Nebel schon Klöppel für bedeutende Glocken geschlagen, etwa für das Hamburger Stadtwahrzeichen "Michel" oder die Marienkirche in Lübeck. Insgesamt zählen sie etwa 9.000 Klöppel, die bereits in den Kirchen Deutschlands und Europas hängen.
Noch haben die beiden Schmiede genug Aufträge, dass sie von ihrer Arbeit gut leben können, erzählen sie. Doch ob das in Zukunft so bleibt? Darüber machen sich beide Sorgen. Vor allem die vielen Kirchenaustritte beschäftigen sie. Armin Schulz beobachtet ein Umdenken in der jüngeren Generation. Er sagt: "Von daher könnte es schon sein, dass es da etwas weniger wird."
Bereiten Kirchenaustritte Probleme für die Branche?
Die Schmiede befürchten, dass den Kirchen künftig nicht nur die Unterstützung der Menschen in der Gesellschaft fehlen könnte, sondern auch das Geld, um Kirchen - und damit auch Kirchenglocken und Klöppel - weiter zu finanzieren. Denn während die Glocken Hunderte von Jahren erhalten bleiben können, müssen Klöppel nach etwa 50 bis 70 ersetzt werden. Das liegt daran, dass sie aus einem wesentlich weicheren Material geschmiedet sein müssen, damit sich auf Dauer die Klöppel und nicht die Glocken abnutzen.
Und noch ein anderes Thema beschäftigt die beiden Männer: eine mögliche Nachfolge. Bislang haben sie noch niemanden gefunden, der ihren Betrieb in ein paar Jahren weiterführen kann, wenn sie in Rente gehen.
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Wenn jeder Tag ein Highlight ist
Bei einer Sache sind sich die beiden Schmiede aber einig: Ihr Beruf ist ihre Leidenschaft und ein Privileg für sie. An Bernhard Nebels Ohr hängt sogar eine kleine goldene Glocke als Ohrring. Auf die Frage, was ihr berufliches Highlight war, sagt Armin Schulz:
Und so lange es die Kunden auch sind, wird es weiter Klöppel geben - und zwar made in Karlsruhe.