In Deutschland begehen immer mehr Kinder Straftaten. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hervor, auf die sich die "Welt am Sonntag" beruft. Demnach gab es im vergangenen Jahr in Deutschland 93.095 tatverdächtige Kinder unter 14 Jahren in Deutschland - ein Plus von 35,5 Prozent gegenüber 2021. Ein Grund für den Anstieg ist demnach, dass Kinder immer häufiger kinderpornografische Videos und Bilder in Chatgruppen teilen.
Ähnliche Zahlen gibt es in Baden-Württemberg: Hier lag das Plus bei 33,4 Prozent, wie aus der Kriminalstatistik hervorgeht, die das Innenministerium vergangene Woche vorgestellt hat. Insgesamt sei gegen 10.490 Kinder ermittelt worden - so viele wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren.
Mehr Messerangriffe nach Corona
Auch bei der Zahl der jugendlichen (14 bis 17 Jahre) und heranwachsenden Tatverdächtigen (18 bis 21 Jahre) gab es 2022 einen Zuwachs in Baden-Württemberg. Allerdings bewegen sich die Zahlen hier auf dem Niveau der Vor-Corona-Jahre. 2020 und 2021 hatte es wegen der Pandemie-Maßnahmen deutlich weniger Straftaten gegeben - vor allem im öffentlichen Raum.
Laut Innenministerium sind die meisten Straftaten in Baden-Württemberg, die von Jugendlichen begangen werden, Ladendiebstähle, Drogendelikte oder Sachbeschädigung wie Graffiti. Auffallend ist aber der Anstieg von Fällen der Gewaltkriminalität - vor allem mit Messern als Tatwaffe. 2022 wurden 2.727 Messerangriffe in Baden-Württemberg registriert. Die Anzahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren stieg um mehr als ein Drittel gegenüber 2021.
Diskussion: Auch 12-Jährige künftig strafmündig?
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl und Justizministerin Marion Gentges (beide CDU) haben angesichts der Entwicklung gefordert, die Altersgrenze für Minderjährige im Strafrecht zu überprüfen. Sie verweisen dabei auch auf den Fall der von Gleichaltrigen getöteten zwölfjährigen Luise aus Freudenberg.
Sollen Zwölfjährige strafmündig sein? BW stellt Altersgrenze für Minderjährige im Strafrecht infrage
Der Tod der zwölfjährigen Luise und die zunehmende Jugendgewalt beschäftigen auch die Politik in BW. Innenminister Strobl und Justizministerin Gentges wagen deshalb einen Vorstoß.
Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), will, dass sich die nächste Innenministerkonferenz mit der Kinder- und Jugendgewalt beschäftigt. Mangelnde Sozialkompetenz sei eine Ursache für den Anstieg der Zahlen: "Aber auch das Internet mit all seinen zwielichtigen Seiten, teils gewaltverherrlichenden Videos oder Spielen, die da kursieren."
Immer mehr Ermittlungen wegen Verbreitung von Kinderpornografie
Tatsächlich verbreiten Schülerinnen und Schüler immer häufiger kinderpornografische Videos und Bilder in Chatgruppen. Das ist auch der Hauptgrund für die gestiegene Zahl der tatverdächtigen Kinder. Da Kinder unter 14 Jahren nicht strafmündig sind, hat das für sie keine strafrechtlichen Konsequenzen.
Anders bei Jugendlichen und Heranwachsenden: Hier muss die Justiz seit einer Gesetzesverschärfung 2021 auch minderschwere Fälle von Kinderpornografie verfolgen. Die Folge: Die Zahl der Ermittlungen ist in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert. 2017 ermittelte etwa die Staatsanwaltschaft Karlsruhe in 74 solcher Fälle - 2022 waren es schon um die 546. Eine Zunahme um fast 640 Prozent.
Fachleute sind auch deshalb dagegen, die Altersgrenze im Strafrecht zu senken. "Sonst würden wir noch viel mehr unsinnige Fälle ermitteln müssen, wegen Verbreitung von sogenannter Kinderpornografie bei Jugendlichen", so der Ulmer Kinder- und Jugendpsychiater Jörg Fegert. Häufig würden Kinder nur aus jugendlicher Neugier solche Bilder machen und teilen.