"Wo soll man innerhalb eines halben Jahres woanders einen Platz finden? Das ist sportlich", so eine Beilsteinerin. "Vor allem machen wir uns nicht allein auf die Suche, sondern ein ganzes Pflegeheim." Die junge Frau möchte ihren Namen nicht nennen, aber die Sorgen um ihre Schwiegermutter sind ihr ins Gesicht geschrieben. Seitdem vor einer Woche die beiden Geschäftsführerinnen der Beilsteiner Seniorenwohnanlage "Haus Ahorn" (Kreis Heilbronn) bekannt gegeben haben, dass die Anlage Ende März 2025 schließen wird, wissen viele Angehörige nicht mehr, was tun.
Andere Pflegeheime sind bereits voll
Erste Rückmeldungen aus anderen Pflegeheimen in der Umgebung seien alle gleich gewesen: Die sind voll, erzählt die Frau. Außerdem mache ihr Sorgen, die Kündigung sei zwar erst zu Ende März ausgesprochen, doch was, wenn die Mitarbeiter früher gehen? "Die werden auch nicht sagen, wir bleiben bis Ende März", so die Angehörige.
Man unterstütze in jeglicher Art und Weise, versucht Noch-Heimleiterin Andrea Stoll die Situation zu beschwichtigen "Wir versorgen bis zum letzten Tag, das ist unsere soziale Verpflichtung." Zudem versuche sie, mit anderen Heimen Kooperationen einzugehen, um die 70 Pflegebedürftigen und 80 Mitarbeitenden gut unterzubringen.
Für viele Beilsteiner wirft die Schließung viele Fragen auf: Warum jetzt? Und warum so kurzfristig? Auch Stoll spricht von einer "Katastrophe".
Aber irgendwann hätten sie den Schritt machen müssen, begründen die beiden Geschäftsführerinnen der gemeinnützigen WOHNINTERN gGmbH Andrea Stoll und Gudrun Waldmann, ihre Entscheidung.
Schließung zeichnete sich lange ab
Für Stoll, die seit Eröffnung 1993 im Haus Ahorn tätig ist, geht der Schließung eine lange Geschichte voraus. Ein erster Einschnitt kam 2009. Damals erließ das Land eine neue Heimbauverordnung. Statt Einzelzimmer sollten die Pflegebedürftigen künftig in Wohngruppen mit maximal 15 Personen betreut werden. Ebenso gab es Vorgaben für die sanitären Anlagen. Für bestehende Einrichtungen wie die Seniorenwohnanlage "Haus Ahorn" gab es Sondergenehmigungen von bis zu zehn Jahren, teilt die zuständige Heimaufsicht beim Landratsamt Heilbronn dem SWR mit.
Im Fall von Beilstein betrug die Zeit sogar 16 Jahre, auch um einen geplanten Neubau umzusetzen, so die Heimaufsicht. "Unser Problem waren die Bäder", erzählt Stoll. Und marode Wasserleitungen. Immer wieder sei sie mit Fachleuten durch das Haus gegangen, um zu prüfen, ob und wie eine Sanierung möglich wäre. "Doch das lässt sich in einem laufenden Pflegeheimbetrieb nicht bewerkstelligen."
Zu einem Neubau kam es nicht
Mehrere Jahre hofften Stoll und Waldmann, auf einem anderen Grundstück neu bauen zu können. Doch dazu kam es nicht. Hinzu kommt, als Betreiber seien sie nur zur Miete. Die Seniorenwohnanlage gehört einer Eigentümergemeinschaft von 80 Kapitalanlegern. Diese müssten bei Sanierungsarbeiten zustimmen. Die Gesellschafterinnen sahen für sich keine Perspektive mehr, zumal in einem 32 Jahre alten Gebäude jederzeit größere Reparaturen anfallen können.
Viele Anfragen im Rathaus
Bei Beilsteins Bürgermeisterin Barbara Schoenfeld (CDU) sind die letzten Tage viele Anfragen eingegangen, wie es nun weitergeht. Seit 2021 leitet sie die Geschicke der 6000-Einwohner Kommune. Die Zukunft des Hauses Ahorns sei schon vor ihrer Zeit ein Thema gewesen, insbesondere der Neubau. Sie verweist auf den Stapel an Akten, die sie von ihrem Vorgänger übernommen hat.
Natürlich habe die Stadt ein Interesse, dass die Beilsteiner auch im hohen Alter möglichst ein gutes Angebot vor Ort haben. Daher hat die Stadt ein kommunalpolitisches Interesse an der Erhaltung von Beilstein als Standort für Pflege und unterstütze hier sehr gerne. Bereits Ende des Monats könnte im Gemeinderat dazu ein Beschluss gefasst werden, so dass dann das Thema einen wichtigen Schritt vorwärts gekommen sein wird.
Angehörige müssen handeln
Für die Angehörigen heißt es jetzt zunächst handeln: Eine junge Beilsteinerin denkt inzwischen über eine 24-Stunden-Pflege für ihre Schwiegermutter nach, auch wenn sie dafür zuerst Zuhause umbauen müsse, erzählt sie. So hatten sich die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen ihren Lebensabend in Beilstein nicht vorgestellt.