Im Streit um den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Grundschulen in Baden-Württemberg gibt es eine Lösung. Nach SWR-Informationen einigten sich die Spitzen der Koalition aus Grünen und CDU am Montagabend in Stuttgart darauf, den Kommunen finanziell unter die Arme zu greifen und das Förderprogramm des Bundes deutlich aufzustocken.
Eine Milliarde Euro mehr für Kommunen
Auch für die notleidenden kommunalen Kliniken soll es einen deutlichen Aufschlag geben. Nur die stark gestiegenen Kosten für Flüchtlinge will die Regierung nicht mit Landesmitteln ausgleichen. Hier reiche man aber die Bundesförderung in diesem Jahr vollständig an die Kommunen weiter.
In dem Brief heißt es zu den Landeshilfen: "In der Summe würden wir aus originären Landesmitteln im Bereich Ganztag und Krankenhäuser über eine Milliarde Euro in die Hand nehmen, um die oben genannten Maßnahmen zu ermöglichen."
Kretschmann will "jede Zitrone" ausgepresst haben
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Dienstag: "Wir sind da bis ans Äußerste gegangen." Um den Kommunen zu helfen, habe die Koalition "jede Zitrone" ausgepresst. Er sei nun gespannt, ob die kommunalen Landesverbände mit dem Angebot zufrieden seien. "Das würde mich natürlich wundern." Hintergrund ist, dass die Kommunen sich noch deutlich mehr Hilfe gewünscht hätten, etwa bei der Digitalisierung.
Es gehe um die Glaubwürdigkeit, ob man den Ganztagsausbau ernst nehme und umsetzen wolle oder nicht, sagte der baden-württembergische Städtetagspräsident Frank Mentrup (SPD) am Freitag. Das hätten nun alle verstanden. "Wir Kommunen haben seit Monaten fertige Pläne in den Schubladen und es ist jetzt wichtig, dass wir möglichst alle gleichzeitig beginnen können", sagte er.
Losverfahren für Fördermittel vom Tisch
Das ursprünglich vom Kultusministerium geplante und vielfach kritisierte Losverfahren zur Verteilung der knappen Fördermittel des Bundes ist damit vom Tisch. Die Finanzspritze von etwa 700 Millionen Euro für die kommunalen Schulträger bis 2030 soll aus der Haushaltsreserve entnommen werden. In dem Brief heißt es: "In diesem Sinne schlagen wir vor, dass bereits ab 2024 und für die nächsten sechs Jahren über eine jährliche Tranche in dreistelliger Millionenhöhe der aktuelle Antragsstau abgearbeitet werden kann."
300 Millionen Euro im Gespräch für Krankenhäuser
Auch für die kommunalen Krankenhäuser will die Koalition nochmal extra Geld in die Hand nehmen. Hier soll es noch 2024 einen Aufschlag von 150 Millionen Euro für Investitionen und Digitalisierung geben. Zudem prüfe man, ob 2025 nochmal die gleiche Summe zugeschossen werden kann. Die Spitzen von Grünen und CDU versprechen zudem, mögliche, weitere Hilfsprogramme des Bundes mit Landesgeld zu ergänzen.
Die Krankenhausgesellschaft und die Landkreise verweisen seit längerem darauf, dass den Kliniken im Land wegen höherer Personalkosten und Inflation in diesem Jahr ein Rekorddefizit von 900 Millionen Euro droht. Hier verweist die Koalition aber darauf, dass der Bund für die Betriebskosten zuständig sei.
Vor dem finanziellen Kollaps? Krankenhäuser in BW rufen wegen Schuldenberg um Hilfe
Die kommunalen Spitzenverbände warnen vor möglichen Klinikschließungen in Baden-Württemberg. Den Kliniken geht es finanziell schlecht, heißt es - und es brauche dringend Unterstützung.
Absage bei mehr Unterstützung bei Flüchtlingskosten
Vor allem die Landkreise hatten darauf gepocht, dass die Landesregierung die unzureichenden Bundesmittel für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen aufstockt. Dazu gibt es in dem Brief der Landesregierung eine Absage: "Zum einen sollte es im Bereich der Flüchtlinge für 2024 mit einer vollständigen Weiterleitung der Bundesmittel sein Bewenden haben. Für 2025 und 2026 sehen wir trotz aller Anstrengungen in unseren Beratungen aktuell nur den Spielraum, um eine Weiterleitung der Bundeszuschüsse zu 50 Prozent zu ermöglichen." Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) erklärte, in diesem Jahr leite man die 230 Millionen Euro des Bundes komplett weiter.
"Beinharte Verhandlungen": Grüne und CDU raufen sich zusammen
Kretschmann zeigte sich "sehr zufrieden" mit dem Ergebnis der Haushaltsberatungen - "und auch ein bisschen stolz". Es seien "beinharte Verhandlungen" gewesen und trotzdem hätten Grüne und CDU in schwierigen Zeiten einen gemeinsamen Weg gefunden.
CDU-Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel sagte dem SWR, die Koalition setze "einen echt überzeugenden Kontrapunkt zur Ampelpolitik von SPD, Grünen und FDP in Berlin, die das Vertrauen der Menschen in Staat und Politik durch ihre einfach desaströse Politik ganz schwer beschädigen". Hagel zeigte sich aber auch zufrieden, dass die CDU "das Würfelspiel des Kultusministeriums bei der Förderung des Ganztagesausbaus gestoppt" habe. "Über die Zukunft unserer Kinder wird nicht gezockt." Statt eines Losverfahrens gebe es jetzt ein faires Verfahren.
Kretschmann wies die Kritik an dem ursprünglich geplanten Losverfahren zurück. Diese Herangehensweise sei zu dem Zeitpunkt ganz normal gewesen.
Protest von Kommunen gegen Losverfahren zeigt Wirkung
Zuletzt hatte es heftigen Streit in der Koalition gegeben, wie die Kommunen beim Ausbau der Ganztags-Grundschulen besser unterstützt werden können, um die vom Bund vorgegebenen Ziele zu erreichen. Denn ab 2026 haben Eltern bundesweit einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Der Investitionstopf des Bundes mit 380 Millionen Euro ist aber zu knapp gefüllt, um den großen Nachholbedarf in Baden-Württemberg zu decken. Nach Studien fehlen hier zehntausende Plätze.
Weil zunächst kein weiteres Geld in Sicht war, entschied sich das Kultusministerium dafür, die massenhaften Förderanträge der kommunalen Schulträger nach einem Losverfahren auszuwählen. Das löste zunächst heftigen Protest bei den Kommunen und dann auch beim Koalitionspartner CDU aus.
Grün-Schwarz will Haushaltsentwurf bald fertigstellen
Am Freitag soll Finanzminister Bayaz den aktualisierten Entwurf für den Etat 2025/2026 einbringen. Zuletzt hatte sich die Haushaltslage in BW etwas entspannt. Dank eines höheren Überschusses, Einsparungen und einer geringeren Zuführung zum Pensionsfonds kann die Koalition nun etwa 1,3 Milliarden Euro für politische Schwerpunkte ausgeben. Doch ein großer Teil des Geldes ist schon gebunden, etwa für das Sprachförderpaket in Kitas und Grundschulen.