Beim Autozulieferer ZF verhärten sich die Fronten zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung. "Wir machen uns Sorgen um die Standorte", sagte der Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich am Mittwochabend dem SWR. In einem Interview mit dem "Handelsblatt" sagte er, es gebe eine Liste von Werken, die möglichst schnell dichtgemacht werden sollen.
Im SWR bekräftigte Dietrich, dass sich alle Beschäftigten in Baden-Württemberg Sorgen machen müssten. "Ich kann leider keine Entwarnung geben. Alle Standorte stehen im Fokus", so der 55-Jährige. Schließungen seien damit nicht beschlossen. Man versuche vielmehr, alle Standorte zu erhalten.
Keine Kommunikation mit Geschäftsleitung
Es ist nicht die erste Hiobsbotschaft für die Beschäftigten. Erst im Sommer wurde bekannt gegeben, dass ZF in den kommenden Jahren 14.000 Stellen streichen will. Nun befürchtet der Betriebsrat, dass das erst der Anfang eines großen Kahlschlags sein könnte.
Selbst nach einem großen Streik habe es keine Gespräche gegeben, so der Betriebsrat. Daher fürchtet er nun, dass die Werksschließungen zu den ohnehin schon beschlossenen Stellenstreichungen dazu kommt: "Wir haben den Eindruck, dass das oben drauf kommt", so Dietrich. "Wir versuchen jetzt jeden einzelnen Standort so aufzustellen, dass er zukunftsfähig ist."
Der Gesamtbetriebsrat hat dabei vor allem einen Schuldigen für den möglichen Kahlschlag ausgemacht: Die Unternehmensberatung McKinsey. "Die sind ja dafür bekannt, dass sie versuchen, Stellen zu streichen. Das funktioniert aber regelmäßig nur kurzfristig und danach haben die Unternehmen dann den Schaden", warnt Dietrich.
Werksschließungen bei Autozulieferer ZF immer wahrscheinlicher
Einer Analyse der "Wirtschaftswoche" anhand von Sanierungsplänen, internen Unternehmensdaten und Standortfaktoren zufolge ist bei 13 deutschen ZF-Standorten die Gefahr einer Schließung besonders groß. Dabei soll es sich insbesondere um kleinere Werke mit 300 oder weniger Mitarbeitern handeln. Demnach seien auch in größeren Standorten wie etwa Friedrichshafen Stellenstreichungen wahrscheinlich, Schließungen dagegen eher nicht.
Ein Sprecher des Unternehmens sagte in Friedrichshafen, man untersuche alle deutschen Werke auf ihre Wettbewerbsfähigkeit. "Es gibt einige Standorte, die nicht die notwendigen Ergebnisse erreichen. Dort müssen Verbesserungsmaßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Zunächst geht es darum, in gemeinsamen Gesprächen mit der Arbeitnehmervertretung die Frage zu beantworten, was wir tun können, um die Standorte in die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückzubringen und die Arbeitsplätze mit zukunftsfähigen Produkten langfristig abzusichern". Nur wenn das nicht gelinge, kämen als Ultima Ratio ein Verkauf des Standorts oder dessen Schließung infrage.
Sorge um Zukunft des Unternehmens
Die Mitarbeiter und der Gesamtbetriebsrat blicken sorgenvoll in die Zukunft. Stellenstreichungen und Werksschließungen wären trotz wirtschaftlich schwieriger Lage die falsche Strategie, so Gesamtbetriebsratschef Dietrich. "Wir befürchten, dass wir damit die Zukunft und Nachhaltigkeit gefährden. Wenn man jetzt Entscheidungen kurzfristig trifft, in einer Panikreaktion, statt auf die Zukunft zu schauen."
Hinzu komme, dass man eigentlich dringend benötigte Fachkräfte verlieren würde. Dabei habe man um genau diese in den vergangenen Jahren hart gekämpft, sagte Dietrich dem SWR: "In den letzten Jahren haben wir noch dafür geworben, Umschulungen zu machen, vom Maschinenbauingenieur zum Softwareingenieur, zum Programmierer und so weiter. Dafür haben wir viel Geld ausgegeben, auch durch Unterstützung der Bundesregierung. Da ist es doch absurd, wenn man diese Leute jetzt fragt, ob sie mit einer Abfindung gehen wollen."
Die gesamte Autoindustrie hat Probleme mit der Transformation zur Elektromobilität, aber ZF trifft es besonders hart. Der Konzern hatte sich durch Zukäufe und Investitionen in neue Technologien hoch verschuldet und muss jährlich mehr als eine halbe Milliarde Euro Zinsen zahlen. ZF ist einer der weltweit größten Automobilzulieferer mit rund 169.000 Mitarbeitern an 160 Standorten in 30 Ländern. Der Konzern gehört mehrheitlich der Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen. 2023 erzielte er einen Umsatz von rund 46,6 Milliarden Euro.