"Ausgebeutet, isoliert und schlecht sozial abgesichert"

Gewerkschaften am Bodensee kritisieren Arbeitsbedingungen in häuslicher Pflege

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Karin Wehrheim
SWR-Redakteurin Karin Wehrheim Autorin Bild
Kristina Priebe
SWR-Redakteurin Kristina Priebe Autorin Bild

Die Gewerkschaften rund um den Bodensee fordern umfassende Reformen zur Verbesserung der Situation in der häuslichen 24-Stunden-Pflege. Zum Teil seien die Arbeitsbedingungen prekär.

Die Gewerkschaften des Interregionalen Gewerkschaftsrats (IGR) Bodensee kritisieren die Arbeitsbedingungen in der häuslichen Rund-um-die-Uhr-Pflege. Sie fordern deshalb umfassende gesetzliche Reformen zur Verbesserung der Situation der Beschäftigten. In Friedrichshafen hat der IGR Bodensee über die Missstände berichtet.

IGR: Alarmierende Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Pflege

Die 24-Stunden-Pflege sei ein unverzichtbarer Bestandteil der häuslichen Betreuung in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz, hieß es. Doch die Arbeitsbedingungen für die meist weiblichen Betreuerinnen aus Osteuropa seien in allen vier Ländern geprägt von Ausbeutung, schlechter sozialer Absicherung und mangelnder politischer Handlungsbereitschaft.

Das sei moderne Sklaverei, sagte Bärbel Mauch, Geschäftsführerin der DGB-Region Südostwürttemberg und Präsidentin des IGR Bodensee:

In Deutschland würden bis zu 600.000 Betreuerinnen und Betreuer aus Osteuropa in der häuslichen Pflege eingesetzt, so Mauch. Eine genaue Zahl sei schwer zu ermitteln. Für sie gelten auf dem Papier dieselben Arbeitsgesetze wie für jeden anderen in Deutschland Beschäftigten. In der Praxis würden diese Gesetze aber häufig nicht eingehalten.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden systematisch missachtet, sodass Überstunden und Bereitschaftszeiten häufig unbezahlt bleiben.

Pflegekräfte anfällig für Ausbeutung

Zudem seien die Pflegekräfte häufig sozial isoliert und hätten auch aufgrund der Sprachbarriere kaum Möglichkeiten, ihre Rechte durchzusetzen. Hinzu komme, dass schätzungsweise 90 Prozent der Betreuerinnen nicht ordnungsgemäß gemeldet seien, was sie anfällig für Missbrauch mache, sagte Mauch.

Für die Behörden, etwa für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, sei es allerdings schwierig bis unmöglich, die Arbeitsbedingungen zu kontrollieren. "Es sind Privathaushalte, da hat niemand das Recht, einfach so zu klingeln und zu kontrollieren." Bei Erntehelfern in einem Betrieb sei das leichter, zumal in solchen Fällen immer gleich mehrere Personen kontrolliert werden könnten. "Die Frauen sind jeweils einzeln in einem Haushalt", so Mauch.

Ähnliche Probleme in allen vier Ländern des IGR

Trotz unterschiedlicher Systeme sind die Probleme in der 24-Stunden-Pflege in allen vier Ländern des IGR Bodensee ähnlich. Vor kurzem hatte bereits der ORF über die Forderungen berichtet. Danach verdienen die meist ausländischen Pflegekräfte lediglich 1.500 Euro brutto im Monat. Sie haben oft keine Ruhezeiten und keine Möglichkeit, an Deutschkursen teilzunehmen.

In allen vier Ländern am Bodensee haben wir es ähnlich oder gleich. Wir haben exzessive Arbeitszeiten und fehlende Ruhezeiten zu beklagen. Viele Betreuerinnen sind rund um die Uhr bei den Pflegebedürftigen eingesetzt.

IGR Bodensee fordert bessere Bedingungen für die Beschäftigten

Die Gewerkschaften fordern unter anderem eine Gleichstellung der 24-Stunden-Pflegekräfte mit allen anderen in der Pflege Beschäftigten. Das betreffe vor allem die Bezahlung, die Rechte und die Anerkennung. Außerdem will der IGR eine höhere Entlohnung und soziale Absicherung erreichen. Auch die Kontrolle von Agenturen und Vermittlungsfirmen müsse verbessert werden, um Verstöße aufzudecken. Zudem fordern die Gewerkschaften Schutzmaßnahmen gegen sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz.

Laut dem Informations- und Serviceportal "Pflege.de" hat eine Rund-um-die-Uhr-Pflegekraft Anspruch auf einen ganzen Tag oder zwei halbe Tage pro Woche zur freien Verfügung. Die maximal zulässige Wochenarbeitszeit für Angestellte in Deutschland beträgt etwa 60 Stunden pro Woche.

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