Ein zentrales Thema der rund 2.300 Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Deutschen Juristentages (DJT) ist die Frage, wann Staatsanwaltschaft und Polizei bei Ermittlungen Smartphones und Laptops beschlagnahmen können. Aus Sicht der Experten der Fachabteilung Strafrecht des DJT gehen die Befugnisse der Ermittlungsbehörden bei der Beschlagnahme von Smartphones und Laptops an vielen Stellen zu weit.
Fachleute: Befugnisse zur Beschlagnahme von IT-Geräten seien überholt
Die Referenten kritisieren, dass Ermittler und Ermittlerinnen zur Aufklärung von Straftaten Handys einfach mitnehmen können. Es geht um sogenannte Sicherstellungen und Beschlagnahmen. Die Juristen zweifeln, dass die aktuellen Regeln dafür noch zeitgemäß sind. Denn sie wurden eingeführt, als Smartphones noch keine Alltagsbegleiter mit unzähligen Daten waren. Auf Handys wurden damals nur wenige Informationen gespeichert. Was der Gesetzgeber noch nicht vorhergesehen hat: Mittlerweile können Polizei und Staatsanwaltschaft auf eine große Menge persönlicher Daten zugreifen, wenn sie Telefone oder Laptops auslesen. Diese Datensätze seien sensibel. Insbesondere Smartphones seien besonders "beschlagnahmeanfällig", schreibt Rechtsprofessor Mohamad El-Ghazi von der Uni Trier in seinem DJT-Gutachten.
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Mobiltelefon gibt weitreichende Einblicke
Viele Menschen würden das Smartphone als eine Art zweites Gehirn nutzen. Das Gerät erlaube Einblicke in ihre sozialen Kontakte, ihre Verhaltensweisen und ihre Bewegungen. Daher ließen sich auch Straftaten damit oft gut nachweisen: Etwa, wenn der Beschuldigte mit dem Opfer über sein Smartphone gechattet oder zur Vorbereitung der Tat mit dem Handy gegoogelt hat. Auf solche Informationen kann die Polizei leicht zugreifen, wenn sie das Gerät einmal in den Händen hat.
Es muss etwa nur Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit oder einfache Straftaten wie Diebstähle geben. Zwar entscheidet auch dann in der Regel ein Richter darüber, ob dies zulässig ist. Wenn die Beschlagnahme jedoch besonders eilig ist oder Gefahr droht, kann die Anordnung auch die Staatsanwaltschaft oder sogar die Polizei selbst treffen. Noch niedriger ist die Schwelle, wenn eine Person zustimmt, dass ihr Gerät mitgenommen werden kann: Dann muss überhaupt kein Richter gefragt werden.
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Telefon und Chats besonders geschützt
Die Datenauswertung ist bei der Beschlagnahme eines Smartphones also sehr einfach. Sonst ist genau das aber für die Ermittlerinnen und Ermittler schwierig. Die Beamten müssen normalerweise hohe rechtliche Hürden überwinden, wenn sie an solche Infos kommen wollen. Nötig ist eine Überwachung der Kommunikation. Das Grundgesetz schützt davor - und schützt auch die abgreifbaren Daten dann besonders stark. Zum Beispiel ist so eine Überwachung nur bei Verdacht bestimmter schwerer Straftaten möglich.
Weil das bei der Smartphone-Beschlagnahme eben nicht so ist, fordern die Fachleute des DJT eine Reform. Die Idee: Der Gesetzgeber soll es Behörden auch schwerer machen, wenn sie auf Handys zugreifen wollen. Nur so seien die Menschen und ihre Daten auf allen möglichen Zugriffswegen geschützt.
Hohe Hürden für Überwachung
Wie das aussehen könnte, zeigen die bestehenden Regelungen für eine Überwachung der Kommunikation: Die Polizei kann ein Telefongespräch oder einen Online-Chat nur bei besonders schweren Straftaten überwachen. Da stehen dann Straftaten wie Mord, Totschlag und Bandenkriminalität im Raum. Das Verfahren dafür ist ebenfalls kompliziert: Es gelten besondere Fristen und strenge Regelungen, wer die Anordnung treffen darf.
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Fachmann fordert Sonderregelung für IT-Geräte
Zumindest einige Rechtsexperten auf dem Deutschen Juristentag sehen offenbar dringenden Handlungsbedarf. Sie halten den Gegensatz zwischen dem hohen Schutz der Daten einerseits und dem niedrigen Schutz für das Speichergerät für riskant. Sie befürchten, dass Ermittler und Ermittlerinnen wichtige Regelungen einfach umgehen könnten. Der Trierer Professor El-Ghazi fordert daher in seinem Gutachten, dass eine Sonderregelung für die Sicherstellung und Beschlagnahme von IT-Geräten eingeführt werden müsse. Dann müssten Handy oder Computer nach anderen Regeln beschlagnahmt werden, als eine potentielle Tatwaffe - wie etwa ein Messer. So könne den Besonderheiten bei IT-Geräten Rechnung getragen werden. Ob der Juristentag diesen Vorschlägen folgt, entscheidet sich am Freitag.
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Der DJT findet alle zwei Jahre an wechselnden Orten statt - und das schon seit 1860. Bei der Tagung machen Rechtswissenschaftler auf Missstände im Recht aufmerksam und unterbreiten Änderungsvorschläge, die die Politik häufig aufgreift. So wurden in der Vergangenheit schon wichtige Weichen bei der Aufarbeitung von NS-Verbrechen oder beim Umgang mit der Corona-Pandemie gestellt.