Polizei zeigt Präsenz in Stuttgart

Nach Messerangriff in Solingen

Sicherheitspaket: So will BW islamistischen Terror besser bekämpfen

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Für viele war der mutmaßlich islamistische Messeranschlag von Solingen eine Zäsur - und für die Landesregierung in BW Anlass, ein Maßnahmenpaket zu schnüren. Darin ist auch ein neues Anti-Terror-Zentrum vorgesehen.  

Als Reaktion auf den mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen in Nordrhein-Westfalen und die tödliche Messerattacke auf den Polizisten Rouven Laur in Mannheim legt nun auch die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg ein Sicherheitspaket vor. Mit einer Reihe von Maßnahmen will die Regierung vor allem für eine bessere Überwachung von potenziellen Extremisten und schnellere Abschiebungen von Straftätern und abgelehnten Asylbewerbern sorgen.

Neues Anti-Terrorzentrum soll Zusammenarbeit koordinieren

"Ohne innere Sicherheit gibt es keine Freiheit", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Innenminister Thomas Strobl (CDU) stellte die einzelnen Maßnahmen vor. Demnach will die Landesregierung ein neues Staatsschutz- und Anti-Terrorismuszentrum, kurz SAT BW genannt, unter dem Dach des Landeskriminalamts (LKA) schaffen. Hier sollen Informationen über mögliche Gefährder zusammenlaufen und die Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden koordiniert werden. Darüber hinaus soll die Polizei künftig mehr Möglichkeiten bekommen, um Künstliche Intelligenz bei der Auswertung von Daten einsetzen zu können.

Regierung will Abschiebungen beschleunigen

Die Regierung will außerdem den "Sonderstab Gefährliche Ausländer" im Ministerium für Justiz und Migration stärken, erfuhr der SWR. Der Sonderstab ermittelt unter anderem die Identität krimineller Ausländer, um diese dann schneller abschieben zu können. 

Grüne und CDU planen zudem eine weitere Asylkammer, um die langwierigen Verfahren um Asyl und Abschiebungen nochmal zu beschleunigen. Erst im Juli hatte das Land an den vier Verwaltungsgerichten in Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe und Sigmaringen auf Asylfälle spezialisierte Kammern geschaffen.

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Kosten für Maßnahmen sollen zwischen 15 und 20 Millionen Euro liegen

Für all diese Maßnahmen sollen weitere Stellen etwa für Cyberexpertinnen und -experten, Ermittlerinnen und Ermittler sowie Richterinnen und Richter geschaffen werden. Die Kosten für das ganze Paket schätzt die Koalition auf etwa 15 bis 20 Millionen Euro. Woher das Geld kommen soll, ist noch nicht genau geklärt.

Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte erst vergangene Woche seinen Entwurf für den nächsten Haushalt vorgestellt. Allerdings hat Innenminister Thomas Strobl (CDU) dem Vernehmen nach nun deutlich mehr Stellen vor allem für die Auswertung von Daten angemeldet.

Beschafft werden sollen auch automatische Kennzeichenlesesysteme, die schon europaweit im Autoverkehr zur Fahndung nach Verbrechern eingesetzt werden. Mit Hilfe dieser Geräte können Bewegungsbilder von Gefährdern erstellt oder flüchtige Täter aufgespürt werden.

Das Land setzt neben der Strafverfolgung auch auf bereits etablierte Präventionsangebote in Schulen, Flüchtlingsunterkünften und auf digitaler Ebene. Neben dem Integrationsmanagement und der Unterstützung von Geflüchteten sollen die Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte zur Extremismusprävention an Schulen flächendeckend ausgebaut werden.

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Bundesratsinitiativen mit Schwarz-Grün in Düsseldorf und Kiel

Gemeinsam mit den schwarz-grünen Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein will Baden-Württemberg zwei gemeinsame Bundesratsinitiativen im Bereich der Migrations- und Sicherheitspolitik starten. NRW hatte bereits wenige Wochen nach dem Anschlag von Solingen, bei dem drei Menschen getötet wurden, ein Maßnahmenpaket vorgelegt, Kiel war dem wenig später gefolgt. Die Regierung in Baden-Württemberg hatte schon nach der Messerattacke von Mannheim Ende Mai, bei der ein junger Afghane einen Polizisten tötete, über verschärfte Maßnahmen beraten.  

Die drei Länder fordern nun zum Beispiel, im Kampf gegen islamistische Terroristen auf Verkehrsdaten zugreifen und diese auch länger speichern zu können. Das helfe nicht nur Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, sondern auch "Netzwerke aufzuspüren und konspirativ agierende Täterinnen und Täter zu identifizieren", heißt es in dem gemeinsamen Antrag.

Weiter heißt es auch, es kämen zu viele Menschen nach Deutschland, "die nicht schutzbedürftig sind. Hier muss eine Konzentration auf tatsächlich schutzbedürftige Menschen erfolgen". Auch sollen die Hürden für Abschiebungen gesenkt werden. So sollen Straftäter schon bei geringeren Straftaten ausgewiesen werden können. Die drei Regierungen unterstützen das Ansinnen der Bundesregierung, zum Beispiel Landfriedensbruch in den Katalog aufzunehmen.

Heftige Kritik der Grünen Jugend

Von der Grünen Jugend kam heftige Kritik. Die Co-Sprecherinnen Anne Mann und Elly Reich erklärten auf SWR-Anfrage: "Wir halten es für falsch, Migration in einen Topf mit Sicherheit und Terrorismusbekämpfung zu packen." Damit würden Themen zusammengeworfen, die nicht zwangsläufig zusammengehörten. "Um Terror zu bekämpfen, sollte sich auf effektive Maßnahmen in diesem Bereich fokussiert werden, statt zu implizieren, dass Migration per se ein Sicherheitsproblem wäre", so Mann und Reich weiter.

Wer über Radikalisierung spreche, der müsse auch über Rechtsextremismus sprechen. "Dass dies in dem Papier nicht getan wird, ist eine vertane Chance und entspricht nicht der wissenschaftlichen Datenlage zu Terrorismus in Deutschland", erklärten sie weiter. Dass stattdessen der Moment genutzt werde, "um Geflüchteten ihren Schutzstatus noch einfacher abzuerkennen, reiht sich zwar in den asylpolitischen Rechtsruck der letzten Jahre ein", es habe aber nichts mit Terrorismusbekämpfung zu tun.

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