Kriminologe warnt: Kriminalität hat nichts mit Herkunft zu tun

BW-CDU hält gestiegene Zahl der Messerangriffe durch Ausländer für alarmierend

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Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Die Messerattacke beim Public Viewing zur Fußball-EM in Stuttgart hat große Besorgnis ausgelöst. Zuletzt zeigten Zahlen, dass die Zahl der Messerangriffe in BW deutlich gestiegen ist. Nun ist klar: Über die Hälfte der Tatverdächtigen hat keinen deutschen Pass.

Die baden-württembergische CDU hält die gestiegene Zahl der Messerangriffe durch Ausländer für ein Alarmzeichen. Der Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel sagte am Donnerstagabend in der SWR-Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg", man müsse auch "unangenehme Wahrheiten" aussprechen. Obwohl der Anteil der Menschen ohne deutschen Pass an der Bevölkerung wesentlich niedriger sei, gebe es hier eine deutlich höhere Kriminalitätsrate. "Das ist eine Frage, die müssen wir schon mal debattieren in unserem Land, ohne Schaum vor dem Mund", so Hagel.

Wichtig sei, dass Menschen, die sich Sorgen machten, nicht automatisch in die rechte Ecke gestellt würden. Hagel zeigte sich überzeugt, es sei dringend nötig, die "illegale Zuwanderung" zu begrenzen. 

Hier können Sie die Sendung vom 27.6.2024 noch einmal ansehen:

55 Prozent der Messerattacken von ausländischen Tatverdächtigen

Nach Zahlen des Stuttgarter Innenministeriums stieg die Zahl der Tatverdächtigen bei Messerattacken von 2.574 im Jahr 2022 auf 2.922 im vergangenen Jahr - ein Plus von 13,5 Prozentpunkten. Lag der Anteil der Tatverdächtigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit 2022 noch bei 1.333 (51,8 Prozent), so stieg er im darauffolgenden Jahr auf 1.612 (55,2 Prozent).

Auch bei der Gewaltkriminalität insgesamt verzeichnet das Ministerium einen starken Anstieg. Die Zahl der Tatverdächtigen stieg 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 10,3 Prozentpunkte auf 19.967. Der Anteil der Ausländer liegt hier bei 49,3 Prozent - ein Plus von 3 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.

Hagel sagte im SWR: "Klar ist, in unserem Land sind die wenigsten Ausländer kriminell. Aber die Zahlen geben eben die Fakten wieder. Die Zeit des Relativierens und des Weichzeichnens muss vorbei sein." Er sei sich sicher: "Die Ursache für immer mehr Messerattacken ist vor allem auch die mangelhafte Integration. Integration braucht aber Zeit und Ausdauer." Trotz des großen Engagements vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer drohe eine Überforderung. "Integration wird nur gelingen, wenn wir die illegale Zuwanderung begrenzen", so der CDU-Politiker weiter.

Messerangriff in Fanzone bei EM-Spiel Türkei gegen Tschechien

Am Mittwochabend hatte ein 25 Jahre alter Mann in der Fanzone auf dem Stuttgarter Schlossplatz beim EM-Spiel Tschechien gegen die Türkei bei einer Auseinandersetzung laut Polizei ein Messer gezogen. Drei Männer seien schwer verletzt worden, zwei von ihnen sehr schwer, sagte eine Polizeisprecherin. Der tatverdächtige 25-Jährige mit syrischer Staatsangehörigkeit sei kurz darauf festgenommen worden. Er sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird ihm ein versuchtes Tötungsdelikt vorgeworfen.

Bei den drei Verletzten handelt es sich laut Polizei um einen 19 Jahre alten Deutschen und zwei 38 und 60 Jahre alte türkische Staatsangehörige. Der 38-Jährige habe kurzzeitig in Lebensgefahr geschwebt, hieß es.

Kriminologe warnt: Kriminalität hat nichts mit Herkunft zu tun

Der Kriminologe Dirk Baier aus Zürich sagte in der SWR-Sendung, Kriminalität habe nichts mit Herkunft zu tun. "Es hat was mit Lebensumständen zu tun", so Baier. Es habe etwas damit zu tun, dass viele junge Menschen mit ausländischen Wurzeln wegen fehlender Ausbildung schlechtere berufliche Perspektiven hätten.

Manche wüchsen in Familien auf, in denen Gewalt zur Tagesordnung gehöre. "Das macht was mit Menschen", so der Kriminologe. In Familien, in denen der Vater sehr dominant auftrete, übernähmen Söhne solche Verhaltensmuster und holten sich auf der Straße Respekt über Gewalt.

Hagel würde seine Frau nachts nicht allein durch Stuttgarts City laufen lassen

Hagel sagte, es kämen auch viele Menschen aus dem Ausland nach BW, die nicht "grundgesetzfähig und auch nicht grundgesetzwillig" seien. Sie hätten keinen Respekt vor staatlichen Organen, Lehrkräften oder Polizeibeamtinnen und - Beamten. "Unser Rechtsstaat muss hier stark sein."

Der CDU-Politiker erklärte: "Wenn meine Frau im Staatstheater wäre und sie würde auf den Bahnhof laufen, in Stuttgart über den Schlossplatz, würde ich meiner Frau sagen: 'Franzi, nimms Taxi.' Ich glaube, dass es so in diesem Land ganz vielen jüngeren Frauen allzu oft geht." Um dieses Problem müsse sich die Politik kümmern. "Weil das nimmt jedem Extremismus am Ende auch den Nährboden", so Hagel.

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg empört über Hagels Äußerungen

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg zeigte sich empört über Hagels Thesen zur Kriminalität von Ausländern. "Undifferenzierte Betrachtungen der Kriminalstatistik befeuern ungerechtfertigt Vorurteile gegenüber Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten", kritisierte der Verband. Wissenschaftler seien sich einig, dass vor allem Armut und mangelhafte Bildungsteilhabe kriminalitätsfördernde Umstände seien und nicht die Herkunft.

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Ein 42-Jähriger aus Albstadt soll in einem Polizeirevier mit einer vermeintlichen Handgranate gedroht haben. Zuvor forderte er, einen Festgenommenen sehen zu wollen.

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AfD wirft Hagel Scheinheiligkeit vor

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Anton Baron, warf Hagel am Freitag "Heuchelei" vor. Allen voran die CDU habe die Situation bei der Migration seit 2015 verursacht, sagte Baron. Statt sich davon zu distanzieren, lehne Hagel im Landtag alle Gesetzentwürfe und Anträge der AfD zur Migrationsbegrenzung ab. "Scheinheiliger geht es nicht", kritisierte Baron. Der CDU-Fraktionschef lehnt jegliches Zusammenwirken mit den Rechtspopulisten ab.

Der Anstieg der Messerdelikte der vergangenen Jahre hatte in BW schon Konsequenzen: Seit Februar 2023 gilt in Stuttgart eine Waffenverbotszone in der Innenstadt. Mannheim zog im Dezember als zweite Stadt im Land nach. Grundsätzlich können alle Kommunen im Land solche Verbotszonen anordnen - sofern es dort besonders kriminalitätsbelastete Zonen gibt.

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Ex-Porsche-Betriebsrat Hück mahnt zu mehr Disziplin bei jungen Leuten

Der frühere Porsche-Betriebsrat Uwe Hück beklagte, dass die Politik zu wenig für die Jugend tue. "Die armen Polizisten müssen ihren Kopf hinhalten", so seine Meinung. Es seien aus Spargründen reihenweise Jugendzentren geschlossen worden. Es werde zu wenig in Schulen investiert. Jungen Leute werde keine Disziplin mehr beigebracht. "Früher galt die Regel: Wenn du auf‘m Boden warst, trittst du nicht mehr nach. Heute ist es umgekehrt: Wenn Du auf‘m Boden bist, trittst du erst nach", sagte Hück. Viele Jugendliche bauten Frust und Aggression auf, weil sich nicht um sie gekümmert werde: "Bildung ist die schärfste Waffe gegen Terror."

Der Kriminologe Baier stimmte Hück in diesem einen Punkt zu: "Bildung ist ein zentraler Präventivfaktor für Kriminalität." Es sei aber ein Vorurteil, dass es heute in der Gesellschaft brutaler zugehe als früher. Wer noch Volksfeste in den 50er oder 60er Jahre erinnere, der wisse: "Da ging es mächtig brutal zu." Baier erklärte: "Die Brutalität hat nachweislich nicht zugenommen. Es gibt einen kleinen Teil hochbrutaler Jugendkriminalität. Die gab es vor vielen Jahren auch schon." Es sei gut, dass es in BW Programme gebe, um junge Intensivtäter zu betreuen. Der Experte beteuerte: "Ich tue nicht schönmalen." Er appellierte, man müsse die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Kenntnis nehmen.

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