Das Ortsschild ist auf den Kopf gedreht, Arbeitsschuhe hängen daran herunter: So haben Bauern in den vergangenen Tagen unter anderem in Winterlingen (Zollernalbkreis), Schliengen (Kreis Lörrach) und einigen anderen Orten im Land gegen die geplante Abschaffung von Steuervorteilen für Landwirte durch die Bundesregierung protestiert. Es sei ein stiller Protest, um auf die Belange der Landwirte aufmerksam zu machen, sagte Christian Coenen, 1. Vorstand der Organisation Land Schafft Verbindung Ba-Wü (LSV).
Manchenorts wird man indes deutlicher: In der Nähe der B464 bei Walddorfhäslach (Kreis Reutlingen) haben Unbekannte auf Heuballen einen hölzernen Galgen aufgebaut, an dem ein selbstgemaltes Ampel-Schild am Strick baumelt - die Ampel als Symbol für die Regierung in Berlin.
Ähnliche Galgen sind auch anderswo in BW zu finden. Auch bei der Großdemonstration von Landwirten in Stuttgart vor Weihnachten gab es die Ampel am Galgen zu sehen. Die Bundesregierung aus SPD, FDP und Grünen plant, den Landwirten Vergünstigungen beim Agrardiesel und der Kraftfahrzeugsteuer zu streichen.
Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen Fälle
An der Symbolik entzündet sich deutliche Kritik. "Das ist doch Androhung von: Wir hängen euch auf, wenn ihr nicht spurt", sagte Martin Hofstetter, Agrarexperte der Umweltorganisation Greenpeace, der Tageszeitung taz. Demnach wurden bei der Demo in Stuttgart auch Symbole der gewalttätigen Bauernbewegung "Das Landvolk" aus den 1920er Jahren und Parolen der NPD-Nachfolgepartei "Heimat" gesichtet. Manche sehen die umgedrehten Ortsschilder auch problematisch und verweisen auf die Nähe zu umgedrehten Flaggen, wie sie in rechten Kreisen und von "Reichsbürgern" bisweilen verwendet werden.
Wie die Stuttgarter Polizei auf Anfrage des SWR mitteilte, liegen die Fälle jetzt bei der Staatsanwaltschaft zur Prüfung, die aktuell noch andauere. Auch die Polizei Reutlingen prüft, ob es sich bei den Ampel-Galgen um politische Straftaten handelt. Sie verweist aber darauf, dass viele Protestformen strafrechtlich nicht relevant seien. Eine Prüfung erfolge immer im konkreten Einzelfall, hieß es. So käme beispielsweise der Straftatbestand der Sachbeschädigung in Betracht, wenn bei der Manipulation von Verkehrs- und Ortsschildern ein Schaden entstanden sei.
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) betonte auf SWR-Nachfrage, dass er den Ärger der Landwirte verstehen könne. "Proteste müssen sich aber immer im Rahmen des Legalen bewegen sowie friedlich und demokratisch sein. Wenn Grenzen überschritten werden, ist das nicht in Ordnung", so der CDU-Politiker. "Einzelne sollten nicht die Anliegen der meisten Bauern, die friedlich auf ihre Lage aufmerksam machen wollen, überreizen oder vereinnahmen."
Verfassungsschutz sieht aktuell keine rechte Unterwanderung
Dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) liegen grundsätzlich keine Erkenntnisse zu einer rechten Unterwanderung der Bauernproteste vor, wie ein Sprecher des LfV dem SWR mitteilte. Einzelne extremistische Akteure zeigten sich zwar solidarisch mit den Protesten, von ihnen gehe derzeit aber kein Einfluss aus, so der Sprecher. Auch eine Verwendung umgedrehter Ortsschilder als Aktionsform extremistischer Akteure sei dem LfV nicht bekannt.
Der Deutsche Bauernverband hat sich "aufs Schärfste von Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern" distanziert, die den Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollten.
LSV Ba-Wü spricht von Einzelfällen und mahnt zu Sachlichkeit
Christian Coenen von LSV Ba-Wü sagte dem SWR, bei einer Großdemo wie dem vom LSV organisierten Bauernprotest am 21. Dezember in Stuttgart mit mehreren tausend Landwirten sei es dem Verband unmöglich, Schilder und Symbole eines jeden einzelnen Teilnehmers zu kontrollieren. Er sprach von Einzelfällen, die "über die Strenge geschlagen" hätten.
Sein Verband distanziere sich von persönlichen Androhungen und rufe dazu auf, sachlich zu bleiben und keine Straftaten zu begehen, so Coenen: "Man kann auf sich aufmerksam machen, aber es muss alles friedlich sein und sich im rechtlichen Rahmen bewegen."
Er selbst würde sich keine Ampel-Galgen "an den Traktor binden", sagte Coenen weiter. Er bezweifle allerdings, dass jeder, der mit einem solchen Galgen unterwegs sei, damit eine Morddrohung ausdrücken wolle. Außerdem: "Eine Ampel an sich ist keine Person, eine Ampel kann ich höchstens kaputt machen und nicht ermorden."
Proteste gegen Sparmaßnahmen der Regierung Schliengen: Bauern treffen sich mit Ampel-Politiker
Umgedrehte Ortsschilder und hölzerne Galgen - beides Symbole für den Protest der Landwirte gegen die Bundesregierung. In Schliengen haben Bauern nun mit einem Ampel-Politiker diskutiert.
Subventionsstreichung in der Bundesregierung umstritten
Am 21. Dezember kamen mehrere tausend Landwirte aus Baden-Württemberg mit ihren Traktoren nach Stuttgart, um ihrem Unmut gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung Luft zu machen. Dadurch kam es zu langen Staus. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat das Vorhaben seiner Kabinettskollegen kritisiert, auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sowie Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) übten Kritik an den Plänen.
Für die Woche ab dem 8. Januar hat der Deutsche Bauernverband weitere bundesweite Aktionen angekündigt, um gegen die Pläne der Bundesregierung zu demonstrieren. Am 15. Januar soll es dann eine erneute Großdemo in Berlin geben.