Diskussion und Fragen aus dem Publikum

SWR-Wahlarena: Aussagen der Spitzenpolitiker auf dem Prüfstand

Stand

Von Autor/in Henning Otte, Hannah Vogel

Von Steuer- bis Energiepolitik: Bei der SWR-Wahlarena am Mittwoch wurde immer wieder mit Zahlen oder Studien argumentiert. Manches war ungenau oder wissenschaftlich nicht haltbar.

Bei der SWR-Wahlarena diskutierten am Mittwochabend die Spitzenpolitikerinnen und -politiker fast zwei Stunden lang. Es ging in der Live-Sendung aus dem Stuttgarter Römerkastell unter anderem um die Wirtschaftskrise, ein Pro und Contra zur Migration und die Frage, ob Pflege durch Angehörige zu oft übersehen wird. Nina Warken (CDU), Nils Schmid (SPD), Franziska Brantner (Grüne), Judith Skudelny (FDP), Markus Frohnmaier (AfD), Sahra Mirow (Linke) und Jessica Tatti (BSW) stellten sich den Fragen des Publikums und untermauerten ihre Argumente immer wieder mit Zahlen und Studien. Die meisten Aussagen waren richtig. Manche waren aber ungenau, wissenschaftlich nicht haltbar oder es fehlte Kontext. 

Ist die AfD "eine Partei für die Reichen"?

Violeta da Silva aus Heidelberg saß im Publikum und brachte eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ins Spiel, in der berechnet wurde, wen die Parteien entlasten würden. Diese zeige, dass die Armutsquote durch die AfD um 12 Prozent steigen würde. Nun will die junge Frau von AfD-Mann Markus Frohnmaier wissen, "wieso Sie nicht transparent sagen, dass Sie eine Partei für die Reichen sind und nicht für Familien oder Alleinerziehende, die wenig finanzielle Mittel zur Verfügung haben?" Der widersprach: "Das ist einfach falsch." Die AfD setze sich für ein Familiensplitting-Modell ein, wolle Steuern wie die Mehrwertsteuer reduzieren und die CO2-Steuer abschaffen. "All diese Steuererleichterungen, die wir planen, treffen Bürger gleichermaßen", sagte Frohnmaier.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom ZEW in Mannheim kommen in der Tat zu dem Schluss, dass die Armutsrisikoquote bei der AfD um 12,9 Prozent steigen würde. Damit ist die Partei Spitzenreiter in dieser Kategorie. Außerdem haben die Ökonomen berechnet, wie sich die Steuerpläne der Parteien auf ein Alleinverdiener-Paar mit zwei Kindern auswirken würden. Bei einem Bruttojahreseinkommen von 40.000 Euro sei die Familie durch das AfD-Wahlprogramm vermutlich nicht schlechter gestellt, schlussfolgern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Bei einem Einkommen der Familie von 60.000 Euro pro Jahr ergeben sich bei der AfD deutliche Besserstellungen. Sie bekämen knapp 5.400 Euro mehr. Höhere Einkommen (80.000 Euro, 120.000 Euro und 180.000 Euro) profitieren noch stärker. Bei der AfD hätten sie mehr in der Tasche als bei allen anderen Parteien.

Was ist dran an der norwegischen Studie zur Atomkraft in Deutschland?

Der AfD-Politiker Markus Frohnmaier zitierte in der Sendung die Studie eines norwegischen Wissenschaftlers: "Die sagt ganz klar: Hätten wir von 2002 bis 2022 in Kernenergie investiert, wären es ungefähr 74 Prozent weniger CO2-Emissionen gewesen. Wir hätten auch rund die Hälfte der Investitionen von - im Moment für Erneuerbare - 700 Milliarden Euro getätigt. Wir wären bei 350 Milliarden rausgekommen. Das zeigt ganz deutlich, wir sind da einen Irrweg gegangen." Die Studie stammt vom norwegischen Professor Jan Emblemsvåg und ist im Juni 2024 veröffentlicht worden. Sie ist von mehreren Experten des Fraunhofer-Instituts unter die Lupe genommen worden. Die deutschen Forscherinnen und Forscher schrieben am 11. Oktober 2024 in einer Stellungnahme, die These des Norwegers sei folgende: „Im Großen und Ganzen hätte eine alternative Politik, die bestehenden Kernkraftwerke im Jahr 2002 zu erhalten und neue Kernkraftwerke zu bauen, die Ausgaben halbiert und Deutschland hätte dabei seine Klimaziele gesichert."

In ihrer Analyse kommen sie zu dem Ergebnis, dass Emblemsvågs Rechnung auf einem "grundlegenden methodischen Fehler" basiere, "durch welchen der Großteil der Ausgaben erneuerbarer Energien doppelt gezählt wird". Ihr abschließendes Urteil: "Die durchgeführte Analyse ist somit wissenschaftlich nicht haltbar". Autoren dieser Untersuchung waren unter anderem Professor Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe und sein Kollege Hans-Martin Henning vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg.

Haben Verbrechen mit Messern zugenommen?

FDP-Spitzenpolitikerin Judith Skudelny behauptete im Laufe der Diskussion, dass Verbrechen mit Messern zugenommen hätten. Unklar war, ob sie sich damit auf die Bundes- oder Landesebene bezog. Die bundesweite Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist für 2023 8.951 Messerangriffe im Zusammenhang mit gefährlicher und schwerer Körperverletzung aus, im Jahr 2022 waren es 8.160 Fälle. Bei Raubdelikten hat die Polizei 4.893 Messerdelikte erfasst (2023), nach 4.195 Fällen im Vorjahr. Zu beachten ist, dass das Bundeskriminalamt erst 2021 begonnen hat, "Messerangriffe" als Phänomen auszuwerten. "Verlässliche, also seit Jahren erhobene Zahlen, gibt es bislang nur aus einzelnen Bundesländern", sagte der Journalismus-Professor Thomas Hestermann, der an der Hamburger Hochschule Macromedia zur Darstellung von Kriminalität forscht, dem SWR. Eine Zunahme über zwei Jahre sei aber noch kein Trend. Lägen Zahlen über einen Zeitraum von zehn Jahren vor, könne man Entwicklungen besser einschätzen. 

In Baden-Württemberg haben Straftaten im öffentlichen Raum, bei denen eine Person unmittelbar mit einem Messer bedroht, verletzt oder gar getötet wurde 2023 laut der PKS im Vergleich zum Vorjahr um 13,5 Prozent zugenommen (1.295 Fälle). 

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