23.8.1954

Stasi-Beamter warnt DDR-Betriebe vor westlicher Spionage

Stand
Autor/in
SWR2 Archivradio
Moderator/in
Gábor Paál
Gábor Paál

Nachdem das Ministerium für Staatssicherheit gegründet war, gingen immer wieder Stasi-Beamte der DDR in Betriebe, um sie vor westlicher Spionage zu warnen. Oder damit zu prahlen, wie viele Spione die Stasi schon entdeckt hat. Als Spion verurteilt zu werden, bedeutete in der DDR nicht selten ein Todesurteil.

Ernst Wollweber prangert Aktivitäten westlicher Geheimdienste an

Dies zur Einordnung der Rede vom 23. August 1954. Ernst Wollweber, Staatssekretär im Ministerium für Staatssicherheit, spricht vor Belegschaftsmitgliedern des Elektronik-Werks für Fernmeldewesen in Berlin-Köpenick. Er schildert die politische Großwetterlage und prangert die feindlichen Aktivitäten westlicher Geheimdienste in der DDR an.

Von der Utopie eines friedliebenden sozialistischen Staates

Ernst Wollwebers Rede besteht inhaltlich aus zwei Teilen. Im ersten Teil beschwört er das Bild eines verlorenen, in den Hitler-Faschismus und den US-Kapitalismus zurückfallenden Westdeutschlands und eines blühenden, friedliebenden sozialistischen Ostens: „Die Entwicklung des Kapitalismus ist in eine Phase eingetreten, wo das gesamte kapitalistische System erschüttert ist, wo es in einem großen Teil der Welt ein solches kapitalistisches System überhaupt nicht mehr gibt, abgelöst ist durch die sozialistische Gesellschaftsordnung, respektiv durch eine Volksdemokratische Ordnung.“ Wollweber deutet die angeblich massiven Unterwanderungsversuche der DDR und die Werksspionage durch westliche Agenten als Zeichen für den Untergang des West-Systems.

Gruppe Gehlen sei scharf auf technische Entwicklungen der DDR

Im zweiten Teil seiner Rede macht Stasi-Chef Ernst Wollweber folgende Rechnung auf: Westliche Geheimdienste, vor allem die Gruppe Gehlen (Vorgänger des Bundesnachrichtendienstes), unterwanderten die DDR, seien insbesondere scharf auf die technischen Entwicklungen in den Werke in Ostberlins. Es wimmle von Spionen allein in diesem Werk für Röhrenelektronik.

Er habe mit seiner Behörde nun hunderte westlicher Agenten enttarnt und festnehmen lassen; die meisten seien geständig und warteten auf ihre Prozesse. Viele davon, weiß man heute, wurden danach hingerichtet.

Ernst Wollweber stand nach dem Volksaufstand von 1953 unter Druck

Der Subtext der Veranstaltung war ein rein persönlicher: Wollweber stand unter Druck. Die Arbeiter der jungen DDR hatten mit ihrem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 ihre Unzufriedenheit demonstriert. Der Staatssicherheit war es nicht gelungen, den Aufstand zu verhindern. Man hatte deswegen das Ministerium für Staatssicherheit zum Staatssekretariat für Staatssicherheit degradiert. Mit dem ersten Teil der Rede versuchte sich Wollweber, einen großpolitisch denkenden Anstrich zu geben. Im zweiten Teil stellte er sich dann als führungsstark dar, nämlich als den Mann, der die angeblich massive Bedrohung der DDR durch westliche Geheimdienste mit extremem Durchgreifen unter Kontrolle bekam.

Wollweber gelang es zwar im Jahre 1955, aus dem ans Innenministerium angegliederten Sekretariat für Staatssicherheit wieder ein eigenständiges Ministerium zu machen. 1957 wurde er jedoch abgelöst, nämlich von Erich Mielke. Erich Mielke blieb bis zur Wende 1989 Stasi-Chef.

Personenschutz: Namen akustisch unkenntlich gemacht

Der Mitschnitt beginnt mit einer kurzen Willkommensrede an „den Genossen Staatssekretär“. Darin werden einige Namen von Betriebsmitgliedern am Podium genannt, die die Stasiunterlagen-Behörde BStU in ihrer Audio-Abteilung anonymisieren, also mit akustischen Piepstönen versehen ließ. Grund ist der Schutz des Personenrechts, also der Schutz einzelner Personen, die durch die Kenntlichmachung möglicherweise negative Konsequenzen fürchten müssten. Dieses Problem betrifft den Großteil der Stasi-Mitschnitte, vor allem die Telefon- und Raumüberwachungen, wo das Einverständnis der Beteiligten, aufgenommen zu werden, selbstverständlich nicht eingeholt worden war.

15.1.1990 Ansturm auf Stasi-Zentrale in Ostberlin

15.1.1990 | Nach der Stürmung der Stasi-Gebäude in Erfurt, in Leipzig, Suhl und Rostock ist am 15. Januar 1990 auch die Zentrale in Ostberlin dran. Es ist der Höhepunkt der Proteste. Wütende Bürgerinnen und Bürger stürmen die Zentrale in der Normannenstraße. Die Besetzung eskaliert.

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