Buchkritik

Ronya Othmann - Die Sommer

Stand
Autor/in
Carsten Otte

Der Debütroman der 1993 in München geborenen Autorin Ronya Othmann erzählt von der Zerrissenheit eines jesidischen Mädchens, das in Deutschland aufwächst, deren familiäre Wurzeln aber im kurdischen Teil Syriens liegen.

Leyla hat ihren Rucksack gepackt. Sie hat sich entschieden. Sie wird Deutschland verlassen, aufbrechen in ein anderes Leben. Während Leyla auf die Straßenbahn wartet, besucht sie im Kopf noch einmal das Haus der Großeltern im Norden Syriens. Denkt an die unbeschwerten Sommerferien, die sie dort Jahr für Jahr verbracht hat. Stellt sich die karge Landschaft vor, erkennt in der Ferne „eine Bergkette, die Grenze zur Türkei“.

Hätte ich damals schon gewusst, was noch kommt, dachte Leyla, ich hätte eine Kamera mitgenommen. Alle meine Sommer bei den Großeltern über hätte ich alles fotografiert. Jedes Haus, jeden Stein, jede Pflanze im Garten. (…) Ich hätte das getan, dachte Leyla, damit nichts jemals verloren gehen kann.

Was sich an dieser Grenze abgespielt hat, war der Genozid an den kurdischen Jesiden, jener uralten Glaubensgemeinschaft, die ursprünglich im nördlichen Irak, Nordsyrien und in der südöstlichen Türkei lebten.

Leyla erfährt von den Gräueltaten zunächst aus sicherer Distanz. Sie lebt in einem Ort bei München, und der Roman erzählt im Rückblick, warum sie mitten im syrischen Bürgerkrieg in die Heimat des Vaters reist.

Ein politisch relevanter Text, der leider erzähltechnisch überfrachtet und mindestens so zerrissen ist wie die schematisch gezeichnete Hauptfigur.

Stand
Autor/in
Carsten Otte