Zeitwort

28.8.1963: Die erste Kompaktkassette wird vorgestellt

Stand
Autor/in
Pia Fruth

Zunächst nahm kaum jemand Notiz vom Gerät der Firma Philips

Im Sommer 1963 stürmen die Beatles die Hitparaden, und die internationale Funkausstellung in Berlin feiert den Beginn der Stereophonie. Hochglanz-Musiktruhen aus Echtholz stehen in den Messe-Pavillons. Edle Plattenspieler und große Spulentonbandgeräte mit vielen chromblitzenden Schaltern und Knöpfen sind der Renner.

Kein Wunder also, dass kaum jemand Notiz davon nimmt, dass am 28. August 1963 am Stand der Firma Philips ein schmuddelig beige-graues Gerät vorgestellt wird. Ein Kassettenabspielgerät aus Kunststoff, etwa so groß wie eine Zigarrenkiste mit zwei Knöpfen, einem Lautsprecher und einem kleinen Handmikrophon.

Für Hifi-Fans ist die Kassette eine Lachnummer

Die zum Gerät gehörende Kassette besteht aus einem durchsichtigen Plastikgehäuse, in dem ein schmales Magnetbändchen auf zwei Spulen läuft. Die Aufnahmen sind verrauscht. Und in mono. Für Hifi-Fans eher eine Lachnummer als eine Sensation, erzählt Gerd Redlich, Ingenieur und Experte für Technikgeschichte aus Wiesbaden.

Das war so: Igitt! Nicht mal drei Knöpfe zum Drehen! Nur zwei Knöpfe. Das kann es nicht sein. Für uns war die Kassette ja eh am Anfang überhaupt nicht stereotauglich, also nicht Hifi-tauglich – also indiskutabel.

Philips muss also kräftig die Werbetrommel rühren und die Vorzüge der Kassette anpreisen: Kinderleichte Bedienung, wenig Gewicht, mobil und für 300 Mark auch nicht teuer.

1965 wurden bereits über eine Million Kassetten verkauft

Und was man damit alles aufnehmen kann: Die ersten Worte des Babys, das Flötenspiel der Tochter und die eigene Lieblingsmusik aus dem Radio. Mit dem Mikrophon in der Hand vor dem Lautsprecher der Stereo-Anlage, versteht sich!

Im ersten Geschäftsjahr verkauft Philips gerade einmal 9.000 Geräte. Im zweiten Jahr sind es schon 180.000. 1965 meldet die Firma der Presse: „Die schon damals an eine vielversprechende Zukunft dieser Geräte und vor allem des neuen Tonträgers glaubenden Optimisten behielten recht. Weit über eine Million Cassetten konnten bisher im In- und Ausland verkauft werden. “

Bessere Qualität, niedrigere Preise: Die Kreativität blüht auf

Die Qualität der Kassettenbänder wird immer besser – Chromdioxid-Beschichtung und Dolby-Rauschunterdrückung heißen die Zauberwörter. Und: Philips erlaubt anderen Herstellern den lizenzfreien Nachbau von Rekordern und Kassetten.

Jede Kassette ist nun in jedem Rekorder der Welt abspielbar, egal welche Marke, egal welcher Hersteller. Die Preise sinken. Die Menschen kaufen. Die Liebhaber klassischer Musik hören inzwischen genauso Kassetten wie Hörspielfans oder Jugendliche, die illegal Konzerte mitschneiden.

Mit der Kassette brauchen junge Künstlerinnen und Künstler nun kein teures Studio mehr, um ein Album zu produzieren, kein Presswerk, um eine Schallplatte herzustellen. Eine wilde kreative Szene jenseits der Musikindustrie blüht auf.

Die CD läutet 1983 das Ende der Kassette ein

Kinderhörspiele auf Kassette machen Milliarden-Umsätze. Sprachlern-Kassetten boomen. Und – sehr zum Ärger der Plattenindustrie – Kassetten mit selbst aufgenommener Musik aus dem Radio oder von Schallplatte.

Als 1983 die CD auf den Markt kommt, dämmert allmählich das Ende der Kassetten-Ära. Nach der Jahrtausendwende verschwindet die Kassette vom Markt und macht neuen digitalen Technologien wie dem mp3-Player und dem Smartphone Platz.

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Autor/in
Pia Fruth