Ehemalige DDR: Ist "der Osten" eine Erfindung der Wessis?

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Moderator/in
Dr. med. Nabil Atassi
Moderator Nabil Atassi aus dem SWR1 Team. Zu hören in der Talk-Sendung SWR1 Leute - immer 2 Stunden für einen Gast mit interessanten Themen.

Tief sitzende Differenzen zwischen den Menschen und ein "irreparables ökonomisches Ungleichgewicht" – Germanist Dirk Oschmann sorgt sich um die Ost-West-Spaltung Deutschlands.

»Was bedeutet es, eine Ost-Identität auferlegt zu bekommen? Eine Identität, die für die wachsende gesellschaftliche Spaltung verantwortlich gemacht wird? Der Attribute wie Populismus, mangelndes Demokratieverständnis, Rassismus, Verschwörungsmythen und Armut zugeschrieben werden? Dirk Oschmann zeigt [...], dass der Westen sich über dreißig Jahre nach dem Mauerfall noch immer als Norm definiert und den Osten als Abweichung.«

Ostdeutschland und Westdeutschland: Gräben nach der Wiedervereinigung

Eigentlich vertieft sich Dirk Oschmann in die neuere deutsche Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts: Der in Gotha in Thüringen geborene Germanist ist Professor an der Universität in Leipzig. Doch im Februar 2022 schreibt er einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ): "Wie sich der Westen den Osten erfindet", lautet der etwas provokante Titel. Darin beklagt Oschmann, dass sich der Westen Deutschlands anmaße, "den Osten identitätspolitisch zu interpretieren und dabei faktisch zu isolieren".

»Regelmäßig wird dem Osten sein 'mangelndes Demokratieverständnis' vorgehalten, ja sogar die 'Demokratiefähigkeit' abgesprochen. Erstens muss man Leuten, die eine Diktatur in die Knie gezwungen haben, nicht erklären, was Demokratie ist. Dennoch versucht der Westen unablässig, die politische Erfahrung des Ostens zu delegitimieren, weil es eine Diktaturerfahrung ist.«

Demokratieverständnis in Deutschland

Oschmann zeigt sich auch besorgt über tief sitzende Differenzen zwischen den Menschen in Ost- und Westdeutschland und spricht von einem jetzt schon "gänzlich irreparablen ökonomischen Ungleichgewicht". Sein Artikel wurde viel diskutiert und für seine Thesen bekam er auch viel Kritik zu hören. Ist der Blick auf den Osten tatsächlich durch die "westdeutsche Brille" geprägt und ist das wirklich Teil eines Verständigungsproblems?

»[Der Osten macht] seit 1990 die Erfahrung, von der wirklichen Gestaltung und Mitgestaltung dieser Demokratie im Grunde ausgeschlossen zu sein, weil es zwar formale, reell aber nur wenige Chancen auf Teilhabe, Partizipation, Repräsentativität, Einstieg oder gar Aufstieg in gesellschaftlich relevante Teilsysteme gibt, von Macht, Geld und Einfluss ganz zu schweigen.«

Spaltung der Gesellschaft im Osten und Westen von Deutschland

Das zeige sich selbst in der AfD, meint Oschmann weiter in seinem FAZ-Gastbeitrag von 2022. Nicht nur sei die AfD eine Westgründung gewesen, sondern sie habe auch stets eine fast komplett westdeutsch besetzte Führungsspitze gehabt. Dass die AfD im Osten so stark werden konnte, hängt für Oschmann klar mit dem "aus Unkenntnis und kapitalem Desinteresse resultierenden politischen Versagen" der anderen Parteien zusammen.

»Zur kontinuierlich geführten West-Ost-Debatte zählt die Behauptung, es gebe eine spezifische 'Ost-Identität', die mitverantwortlich sei für die derzeit rasant wachsende gesellschaftliche Spaltung [...]. Allerdings ist dieser öffentliche Raum als ökonomischer, medialer und diskursiver Raum nicht nur komplett in westdeutscher Hand, sondern auch vollständig von westdeutschen Perspektiven dominiert.«

Wie können eventuell bestehende Gräben zwischen den Menschen in Ost und West überbrückt werden? Darüber spricht Dirk Oschmann in SWR1 Leute.

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