Film "Führer und Verführer": der Aufstieg von Joseph Goebbels als Propagandachef des Dritten Reichs

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Moderator/in
Nicole Köster
Moderatorin Nicole Köster aus dem SWR1 Team moderiert täglich ausßer samstags zwischen 10 und 12 Uhr die Sendung SWR1 Leute

Regisseur Joachim A. Lang und Historiker Thomas Weber erzählen in SWR1 Leute, wie ihr Film "Führer und Verführer" über Joseph Goebbels als Reichspropagandaleiter unter Adolf Hitler entstand.

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Seit ich 13 war, gehe ich der Frage nach 'Wie war es möglich, dass die Mehrheit der Deutschen Hitler in seinen verbrecherischen Zielen gefolgt sind: Holocaust und Krieg?'. Darauf suche ich mein ganzes Leben Antworten.

Vor rund 80 Jahren geschahen die größten Verbrechen der Menschheit: der Holocaust und der Zweite Weltkrieg. Der Kino-Film "Führer und Verführer" beleuchtet auf bisher nicht gezeigte Weise die Zeit vom sogenannten "Anschluss" Österreichs im März 1938 bis zum Untergang im Führerbunker im Mai 1945. Verhängnisvolle Jahre der Weltgeschichte, die ohne die mächtige Propagandamaschine unter Leitung von Joseph Goebbels nicht möglich gewesen wären.

So wirken Propaganda und Desinformation auch heute noch

Wie durch Mechanismen der Propaganda die Macht gewonnen und missbraucht wurde, wirkt in Zeiten von Desinformation und Propaganda auf fatale Weise bis heute nach.

Jemand wie Goebbels und Hitler und die Volksverführer und Demagogen heute können nur eine Chance haben, wenn es eine extremistische Grundeinstellung der Bevölkerung gibt.

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Es muss eine Krise da sein, aber auch eine Führungspersönlichkeit, die in der Lage ist, die Mehrheit zu radikalisieren. Ich versuche, die Mechanismen der Propaganda zu entschlüsseln – heute sagt man 'Desinformation' und 'Manipulation' dazu – und meine Hoffnung ist: Wenn man diese Mechanismen entschlüsselt hat, dann kann man auch den Demagogen die Maske vom Gesicht reißen und sie entlarven.

Führer und Verführer: mehr als nur das personifizierte Böse

Hitler werde bis heute oft falsch dargestellt, so Lang: als plakativer Dämon oder schreiende Witzfigur. Das Problem: Von solch einer Figur könne man sich leicht distanzieren – das habe die Nachkriegsgeschichte gezeigt, als man die ganze Katastrophe auf eine "Minderheit von genialisch-diabolischen Kräften schieben wollte".

Deshalb gehe es in "Führer und Verführer" darum, Hitler und Goebbels auch als Menschen aus Fleisch und Blut zu zeigen und nicht nur als das personifizierte Böse – nur dann könne man der Gefahr der allzu einfachen Distanzierung von den "größten Verbrechern der Menschheitsgeschichte" begegnen.

Für mich war die wichtigste Rückmeldung die von den Überlebenden – die sind meine wichtigste Instanz. Das schönste Erlebnis war, als ich mit [der Holocaust-Überlebenden Charlotte] Knobloch im Kino saß: Sie [...] sagte am Schluss 'Dieser Film hätte schon vor 20 Jahren kommen müssen' und sie meint damit die Zunahme des Rechtspopulismus.

Die Mechanismen von Manipulation und Propaganda

Dass Joachim Langs Film und der Versuch, die Mechanismen von Propaganda und Verführung aufzuzeigen, durchaus auch aktuelle Bezüge haben, wurde Anfang Juli 2024 bei der Fußball-EM deutlich. Mit dem Wolfsgruß während des EM-Achtelfinales sorgte der türkische Torschütze Merih Demiral für große Kritik. Der Vorwurf: Er habe damit das Symbol der "Grauen Wölfe", der türkischen Rechtsextremisten verwendet.

Für Historiker Thomas Weber ist das ein Beispiel, wie Symbolik sich einschleichen kann in den Alltag – als "Dog Whistle": Wie eine Hundepfeife, die wir nicht hören, tragen diese Symbole Botschaften, mit denen diejenigen kommunizieren, die um ihre Bedeutung wissen – die anderen machen sie unwissend nach und verbreiten sie so.

Wenn Sie so ein Fußballspiel anschauen und das nachmachen, merken Sie vielleicht erstmal gar nicht, was Sie da kopieren. Über die Hintertür werden da diese rechtsradikalen Ideen normalisiert.

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