Eigentlich wollte man sich schon lange von dem alten Geschirr, dem Videorekorder oder sonstigem Krempel trennen, der zu Hause nicht mehr genutzt wird und nur verstaubt oder – noch schlimmer – Platz wegnimmt für Dinge, die man tatsächlich braucht oder gebrauchen möchte.
3 Gründe, warum wir uns schlecht von Dingen trennen können
SWR1: Warum fällt es uns überhaupt so schwer, uns von alten Dingen zu trennen? Kommt das noch aus der Steinzeit?
Eva Wlodarek: Ja, wahrscheinlich. Es gibt verschiedene Gründe. Zunächst einmal, und das bezieht sich jetzt sicher auf die Steinzeit, ist es nämlich Sicherheit. Wir brauchen einen gewissen Rückhalt an Dingen, und da kommt dann immer, wenn man sie eigentlich entsorgen möchte, der Gedanke: "Ah, das könnte man noch brauchen" oder wenn was kaputtgeht "dann habe ich doch wenigstens einen Ersatz". Das ist der Sicherheitsaspekt.
Und dann gibt es oft sentimentale Gründe. Ich glaube, jeder von uns hat bestimmt irgendetwas in der Wohnung oder im Schrank, was ihn an schöne Zeiten erinnert. Das berühmte Brautkleid oder vielleicht irgendwelche Souvenirs von Reisen. Da fällt es auch sehr schwer, sich davon zu trennen, weil das ja immer die schöne Erinnerung hervorruft.
Der dritte Grund wären dann Schuldgefühle. Also wenn Sie Geschenke bekommen haben, die auch sehr lieb gemeint sind, vielleicht sogar Basteleien von ihren Kindern oder Enkeln, das tut man ungern weg.
Das wären so die drei Hauptgründe, warum es uns so schwerfällt. Aber es spielt auch noch eine Rolle, welches Naturell wir haben. Ich habe in meiner Erfahrung festgestellt: Es gibt zwei Typen – natürlich gibt es auch Mischtypen – also es gibt den "Entsorgungstyp" und den "Bewahrungstyp" und meistens neigt man zu einer Seite.
Unterschiede zwischen Geschlechtern und Generationen
SWR1: Gibt es denn auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen?
Wlodarek: Ich wüsste nicht, dass es eine Untersuchung jetzt speziell dazu gibt. Das ist mir nicht bekannt. Nach meiner Erfahrung glaube ich auch, dass der Unterschied nicht so groß ist. Was man aber wohl festgestellt hat, auch per Untersuchung, ist, dass Frauen ein erhöhtes Stresslevel in Bezug auf Unordnung haben [...] da könnte man so ein bisschen indirekt sagen, es könnte den Frauen leichter fallen.
Aber was man auch sagen kann, das ist [...] auch wieder wissenschaftlich erwiesen, ist, dass die junge Generation, also zwischen 18 und 29, sich leichter von Sachen trennen kann als die Ü60.
Richtig Ausmisten
SWR1: Wie schafft man es denn, sich von Dingen zu trennen? Was wäre denn der erste Schritt zum erfolgreichen Ausmisten?
Wlodarek: Das Wichtigste ist erstmal, dass Sie das auch wirklich gerne tun möchten und da hilft es, wenn man sich so ein bisschen positiv einstimmt. Also, dass Sie nicht denken "Oh je, wie soll ich diesen ganzen Kram denn jemals loskriegen?", sondern dass Sie sich sagen: "Ich freue mich darauf, wenn ich Platz habe, wenn ich mehr Freiheit in meiner Wohnung habe". So ein bisschen Einstimmung, das wäre mein erster Punkt.
Der zweite, und der ist ebenso wichtig: sich nicht so viel auf einmal vornehmen. Lieber eine kleine Sache, lieber die Schreibtischschublade aufräumen und die richtig und dann gucken: "Was kann ich noch tun?" [...]
SWR1: Was ist mit so alten Weisheiten wie: Das hab ich jetzt ein Jahr lang nicht gebraucht, das kann im Grunde weg?
Wlodarek: Da bin ich nicht so eine Freundin von. Im Kleiderschrank zum Beispiel gibt es ja auch Dinge, die wirklich nur für ganz besondere Gelegenheiten sind. Und vielleicht möchte man das Abendkleid dann doch irgendwann mal anziehen, auch wenn man zwei Jahre nicht auf irgendeinem entsprechenden Event gewesen ist.
Mir ist das ein bisschen zu rigide. Man kann sich das mal so als Leitfaden nehmen, also alles, was man drei Jahre nicht angefasst hat, kann weg. Aber ein bisschen vorsichtig.
Nur eigene Sachen ausmisten
SWR1: Und beim Ausmisten? Da könnte es zu Hause auch Ärger geben. Wenn ich anfange, Sachen von meiner Frau ausmisten zu wollen, da sollte ich lieber vorsichtig sein, oder?
Wlodarek: Unbedingt! Also ausmisten, gut und schön, aber: Hände weg von fremden Sachen! [...] Das kann sehr, sehr böse Folgen haben. Ich habe das selbst erlebt, ich habe eine angeschlagene Tasche vom Eishockey-Verein im Mülleimer versenkt, und mein Mann und mein Sohn, die haben sie ganz empört wieder herausgeholt. Also das sollte man sich ersparen, das ist auch übergriffig.
SWR1: Also ich habe mir gemerkt: Nichts von anderen wegschmeißen, erstmal mit einer Schublade anfangen – um sich selber da nicht zu überfordern – und dann könnte es auch klappen, dass wir zum erfolgreichen "Ausmister" werden.
Wlodarek: Ja, das ist eine sehr lohnende Geschichte. Man muss ja nicht gleich zum Minimalisten oder zur Minimalistin mutieren, aber es hat was für sich, wirklich viele Dinge wegzuhaben. Man hat plötzlich das Gefühl, man hat mehr, das ist das Paradoxe, weil man einfach auch einen guten Überblick und einen guten Zugriff hat, ich kann das nur empfehlen.
Das Interview führte Frank Jenschar.