Der Ausstieg ist zwar schwierig und erfordert viel Mut, aber er ist möglich. Es ist entscheidend, sich der Realität der Beziehung zu stellen, sich Unterstützung von außen zu holen und den ersten Schritt in eine gesunde, selbstbestimmte Zukunft zu wagen. Denn wahre Liebe basiert auf Vertrauen, Respekt und Unterstützung.
Toxische Beziehungen: Liebe, die nicht guttut
"In meiner Arbeit als Paarberaterin habe ich immer wieder mit Menschen zu tun, die in solchen Beziehungen stecken", so SWR1 Redakteurin Sabine Hub. Die typischen Merkmale sind dramatisch und gefährlich, doch die Betroffenen erleben diese Dynamiken als Teil einer komplexen Bindung, aus der sie sich kaum lösen können. Ein Blick auf die verschiedenen Phasen und Aspekte einer toxischen Beziehung kann helfen, diese emotionalen Fesseln zu erkennen und zu verstehen.
Anzeichen einer toxischen Beziehung
Toxische Beziehungen beginnen häufig mit einer überwältigenden Phase, in der der Partner oder die Partnerin den anderen mit übertriebener Zuneigung und Aufmerksamkeit überschüttet. Das ist das sogenannte "Lovebombing". Sie erleben eine emotionale Achterbahnfahrt: Kaum haben sie sich wirklich kennengelernt, erklärt der andere, sie seien die große Liebe und verlangen nach extremen Bindungsbekundungen – wie etwa dem Wohnungsschlüssel.
Doch schon bald kehrt sich die Dynamik um. Der anfängliche Überschwang weicht Herabwürdigung, Kontrolle und Manipulation. Der Partner, die Partnerin wertet dich plötzlich ab, macht dich runter, überschreitet Grenzen, schreit dich an, macht dir ständig Vorwürfe und gibt dir auch für alles die Schuld. Er oder sie manipuliert dich und versucht, dich gezielt zu verunsichern. Dieses toxische Verhalten nennt sich "Gaslighting". Dabei verdreht der toxische Partner die Realität so sehr, dass die betroffene Person anfängt, an sich selbst zu zweifeln und nicht mehr sicher zu sein, was wahr ist und was nicht.
Ein weiteres wichtiges Kennzeichen toxischer Beziehungen ist die zunehmende Kontrolle, die der Partner über das Leben des anderen ausübt. Das betrifft nicht nur einfache Dinge wie finanzielle Entscheidungen, sondern auch die soziale Isolation. Der toxische Partner versucht oft, den anderen von Freunden und Familie zu entfremden, um ihn oder sie vollständig abhängig zu machen.
Liebe, die nicht guttut Zehn Merkmale für eine toxische Beziehung
Manchmal geraten wir an Menschen, die uns definitiv nicht guttun. Woran Sie erkennen, ob Sie in einer solchen toxischen Beziehung leben, weiß Paartherapeut Christian Hemschemeier.
Warum fällt es so schwer, sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen?
Viele Menschen, die in einer toxischen Beziehung stecken, fühlen sich stark emotional abhängig. Diese Beziehungen sind geprägt von extremen Hochs und Tiefs, die fast süchtig machen können. Die intensiven emotionalen Schwankungen zwischen Nähe und Abwertung erzeugen eine Art hormonellen Rauschzustand, der das Verlassen der Beziehung unglaublich schwierig macht.
Darüber hinaus erleben Betroffene häufig auch eine zunehmende Isolation. Wenn man von Freunden und Familie abgeschnitten wird und das Selbstwertgefühl ständig untergraben wird, fühlt man sich immer mehr in der Beziehung gefangen. Der toxische Partner stellt oft die verzerrte Behauptung auf, dass man ohne ihn oder sie völlig allein und unzulänglich wäre. Dieser psychologische Druck verstärkt die Angst vor dem Alleinsein. Und da ist auch immer die Hoffnung, dass der toxische Partner sich ändert, weil er auch so gute Seiten hat.
Wie gelingt der Ausstieg aus einer toxischen Beziehung?
Zunächst ist es wichtig, den ersten Schritt zu wagen und sich selbst bewusst zu machen, dass es sich um eine toxische Beziehung handelt. Man muss erkennen, dass die Beziehung mehr Schaden als Nutzen bringt.
Freunde und Familie, die einen bestärken, das Richtige zu tun, können dabei eine wichtige Rolle spielen. Bei ihnen kannst du Kraft und Selbstbewusstsein tanken und das Gefühl erfahren, geliebt zu werden – auch unabhängig von dieser Beziehung. Ein Gespräch mit vertrauten Personen oder sogar professionelle Hilfe bei einer Therapeutin oder einer Beratungsstelle wie der Caritas kann enorm entlastend sein. Es ist wichtig, dass du diese Beziehung aufarbeitest und auch deine Muster erkennst, damit du nicht wieder rückfällig wirst und in die Beziehung zurückgehst.
Ein praktischer Schritt, der beim Ausstieg helfen kann, ist, die Selbstständigkeit wiederherzustellen. Hierzu gehört, dass man den eigenen Raum und die Kontrolle über das Leben zurückgewinnt. Ein einfacher, aber wichtiger Tipp: eine neue E-Mail-Adresse einrichten, die nur man selbst kennt, oder den sozialen Kontakt zu dem toxischen Partner konsequent abbrechen. Der toxische Partner wird alles daran setzen, den anderen zurückzuholen, und jede noch so kleine Reaktion wird als Bestätigung wahrgenommen. Deshalb ist es wichtig, auf keinerlei Versuche der Kontaktaufnahme einzugehen.
Betroffene Frau aus Speyer Toxische Beziehungen: Was tun, wenn der Partner plötzlich zum Feind wird?
Erst nach Jahren konnte sie sich aus einer toxischen Beziehung befreien: Heike H. aus Speyer hat schmerzhaft erlebt, wie eine solche Beziehung das Leben zur Hölle macht.
Wie können Außenstehende helfen?
Für Freunde und Familienangehörige ist es oft schwierig, zu sehen, wie jemand, den sie lieben, in einer toxischen Beziehung steckt. Es ist jedoch wichtig, dass sie nicht direkt urteilen oder dem Betroffenen sagen, was er oder sie tun soll. Stattdessen ist es entscheidend, einfühlsam zu sein und zuzuhören. Wenn man bemerkt, dass eine Freundin oder ein Freund in einer solchen Beziehung steckt, sollte man vorsichtig nachfragen, wie sich diese Person wirklich fühlt und welche Sorgen sie hat. Oft ist es der erste Schritt zur Hilfe, zuzuhören, ohne zu urteilen.
Falls die betroffene Person sich öffnet, ist es wichtig, die emotionale Unterstützung zu leisten, die sie braucht. Hierbei kann es helfen, das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen zu stärken und aufzuzeigen, dass es auch ohne den toxischen Partner einen Weg in eine bessere Zukunft gibt. Wenn die betroffene Person bereit ist, sich zu trennen, sollte man sie dabei unterstützen, den Kontakt zu dem toxischen Partner endgültig abzubrechen und, wenn nötig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.