Erfahrungen der Polizei

Sind Messerverbote umsetzbar?

Stand
Moderator/in
Claudia Deeg
SWR1 RP Moderatorin Claudia Deeg
Onlinefassung
SWR1

Der Messerangriff von Solingen verstärkt die Debatte um härtere Waffengesetze und Messerverbote. Wie sinnvoll sind die Maßnahmen bei der Prävention von terroristischen Anschlägen?

Auch in Böhl-Iggelheim bei Schifferstadt wurde am Freitag, den 23. August, ein 16-Jähriger bei einer Messerattacke angegriffen, zum Glück aber nicht lebensbedrohlich verletzt. Patrick Müller von der deutschen Polizeigewerkschaft Rheinland-Pfalz erklärt, ob und wie ein Messerverbot überhaupt umsetzbar wäre.

SWR1: Die zwei Fälle Solingen und Böhl-Iggelheim sind ganz unterschiedlich. Aber hätten sie durch Messerverbote verhindert werden können?

Patrick Müller: Das glaube ich nicht, dass gerade terroristische Anschläge sich verhindern lassen. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass im Alltag die Fälle reduziert werden können.

SWR1: Der Täter in Solingen zum Beispiel hätte auf dem Fest ja theoretisch gar kein Messer dabei haben dürfen. Aber die lassen sich davon nicht abhalten, oder?

Müller: Genau. Ich müsste bei so riesigen Volksfesten einen riesigen Sicherheitsdienst oder riesige Polizeimengen einsetzen, um an den Eingängen lückenlos zu kontrollieren. Es ist schwierig, bei solch großen Menschenmengen jede Tasche zu kontrollieren. Ich müsste den Körper komplett abtasten. Eigentlich müsste ich die Leute ja komplett ausziehen, um zu gucken, ob sie jetzt noch irgendwie in Körperöffnungen oder in der Unterhose etwas versteckt haben.

SWR1: Die Diskussion über die Länge von erlaubten Klingen: also Springmesser und Messer mit einer Klinge, die länger als sechs Zentimeter ist, sollen verboten werden. Ganz ehrlich, das ist doch absurd, oder?

Müller: Der Vorschlag geht schon in die richtige Richtung. Man könnte auch generell einfach ein Messerverbot einführen. Außer natürlich für sozialadäquate Gründe, wie wenn jetzt der Handwerker zur Arbeit fährt und eins braucht. Das könnte man auch so machen, ist mir von unserer Seite her noch lieber.

SWR1: Aber wie ließe sich das kontrollieren?

Müller: Das ist halt das Problem. Wenn ich etwas verbiete, muss ich es auch kontrollieren können, damit es zumindest einigermaßen eingehalten wird. Das ist wie bei der Geschwindigkeitskontrolle. Wo ich nicht kontrolliere, fahren die Leute schneller. Dafür braucht es deutlich mehr Personal bei der Polizei.

Im Moment sind die Kolleginnen und Kollegen sowieso schwer beschäftigt mit Objektschutzmaßnahmen angesichts des Nahost-Konflikts. Wir bewachen ja den Flughafen Hahn seit ein paar Wochen, weil ansonsten der Flugbetrieb nicht gewährleistet wäre. Es ist schwierig.

Man muss auch Geld in die Hand nehmen und mehr Leute bei der Polizei einstellen.

SWR1: Und jetzt werden auch mehr Befugnisse für die Polizei gefordert. Aber was würde da helfen?

Müller: Wenn ich Messerverbotszonen einführe, dann brauche ich natürlich auch eine Rechtsgrundlage für die Polizei, das leichter zu kontrollieren. Im Moment brauche ich ja eine konkrete Gefahr, um jemanden zu kontrollieren. Wenn ich jetzt sage, an bestimmten Stellen werden oft mehr Messer mitgeführt, dann muss ich auch die Eingreif-Schwelle niedriger ansetzen. Dass ich dann sage, okay, wir haben mal festgestellt, hier werden oftmals eher Messer mitgeführt, hier kann "anlassunabhängig" auch mal kontrolliert werden, quasi an einem gefahrenträchtigen Ort.

SWR1: Diskutiert wird ja jetzt auch über das Thema Abschiebungen. Also in dem Fall des mutmaßlichen Attentäters von Solingen wollte man den Mann im vergangenen Jahr abschieben. Er war aber an dem geplanten Tag nicht da. Später ist er wieder aufgetaucht, konnte dann in ein Flüchtlingsheim einziehen und hat da gelebt. Ist es in Deutschland nach ihren Erfahrungen wirklich so leicht, einer Abschiebung zu entgehen?

Müller: Ja, eigentlich schon. Oft wird sie auch vorher angekündigt und dann habe ich genug Zeit, mir zu überlegen, dass ich mich besser vom Acker mache und mal eine Zeit untertauche. Grad eben wegen dieser Halb-Jahresfrist, wenn es um Abschiebungen in andere EU-Staaten geht.

SWR1: Und wann kommen Sie als Polizei dann mit zum Einsatz?

Müller: Normalerweise dann, wenn die Ausländerbehörde der Meinung ist, dass es Probleme bei der Abschiebung geben könnte. Also, wenn ein entgegenstehender Wille beim Abzuschiebenden da ist oder er sich wehren will. Dann wird die Landespolizei unterstützend tätig und begleitet das Ausländeramt, nimmt die Person dann in Gewahrsam, übergibt sie später am Flughafen dann der Bundespolizei.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

Mehr zu den Messerangriffen

Mainz

Gewalttat mit drei Toten in NRW Innenminister Ebling nennt Messerangriff in Solingen "abscheulich"

Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) verurteilt die tödliche Messerattacke auf dem Stadtfest in Solingen scharf. "Dieser Anschlag ist abscheulich und er verunsichert", so Ebling.

SWR1 Rheinland-Pfalz SWR1 Rheinland-Pfalz

RLP

Pläne zu verschärften Regeln Waffenverbotszonen in RLP? - Das sagt der Innenminister zum Umgang mit Messern und zum Waffenrecht

In einigen Großstädten etwa in Baden-Württemberg und Hessen, gibt es sie schon: Waffenverbotszonen. Wie sieht es damit in Rheinland-Pfalz aus, vor allem was Messer betrifft?

SWR1 Rheinland-Pfalz SWR1 Rheinland-Pfalz

Böhl-Iggelheim

Böhl-Iggelheim 16-Jähriger wurde im Rhein-Pfalz-Kreis mit Messer angegriffen

Ein Unbekannter hat dem Jugendlichen im Vorbeigehen ein Messer in den Rücken gestochen. Die Täter werden gesucht.

SWR4 am Sonntag SWR4

SWR1 Interviews

Satirischer Rückblick auf 2024 Jahresrückblick mit Dieter Nuhr: "Ich hab' meine Galle rausgeschmissen!"

Auch 2024 zeigt Das Erste den satirischen Jahresrückblick mit Kabarettist und Komiker Dieter Nuhr. Sein persönliches Highlight in diesem Jahr ist übrigens seine Galle.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

"Ich plane nicht, in eine Partei wieder einzutreten" Volker Wissing zur Vertrauensfrage und seinem Verhältnis zur FDP

Heute stellt Bundeskanzler Scholz die Vertrauensfrage. Wenn er sie verliert, ist der Weg für Neuwahlen im Februar frei. Über die Entwicklungen sprechen wir mit Volker Wissing.

Aktuell um 12 SWR1 Rheinland-Pfalz

Weg freimachen für Neuwahlen Vertrauensfrage - Politikwissenschaftler Thorsten Faas: "Das sind schwierige Zeiten!"

Der Bundeskanzler stellt heute die Vertrauensfrage und will damit den Weg für Neuwahlen frei machen. Wir sprechen darüber mit dem Politikwissenschaftler Prof. Thorsten Faas.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz