Lenkdrachen mit Verankerung im Meer

Öko-Strom aus Wind

Wie Lenkdrachen Energie gewinnen können

Stand
Autor/in
Christoph Kersting
Onlinefassung
Oliver Schönfeld

Energie aus Windkraft gibt es seit rund 1.000 Jahren. Denn so lange baut der Mensch schon Windmühlen. Ein deutsches Entwickler-Team bringt jetzt sein Drachen-System auf den Markt.

Fliegende Riesen

An Windenergie im großen Stil haben wir uns längst gewöhnt. Dabei wird schnell vergessen, dass Windkraftpioniere noch in den 70er Jahren als weltfremde Tüftler galten. Heutige Windkraftturbinen ragen mit ihren riesigen Rotorblättern in Höhen bis zu 250 Metern. Noch weitaus höher steigen große Lenkdrachen, um aus Höhenwinden Energie zu gewinnen. Dabei ist das Drachenseil an einer Art Dynamo befestigt, der beim Steigen des Drachens Strom erzeugt. Ein deutsches Entwickler-Team bringt jetzt sein Lenkdrachen-System auf den Markt. Satte 17 Meter Spannweite hat so ein Drachen, ist 120 Quadratmeter groß und 40 Kilogramm schwer.

Skysails Power

So ein Lenkdrachen fliegt nicht per Hand vom Boden aus los, sondern wird von einer Software gesteuert. Er startet von einem schräg in den Himmel aufragenden Stahlmast und über eine Kunststoffschnur, die an einer Seilwinde befestigt ist. Der Flug wird von einem Container aus überwacht. Das System um den Lenkdrachen wurde von der Firma Skysails Power mit einem 110 Mann starken Team entwickelt. Stephan Wrage ist Gründer und Chef der Firma, mit Sitz in Hamburg.

"In der Höhe haben wir zwei, drei Mal mehr Wind als in Erdbodenhöhe, und dieses Mehr an Wind führt zu einer sehr starken Steigerung des Energieertrags."

Ein weiß-grüner Container-LKW von Skysails Power fährt über eine Landstraße.
Auch ein Vorteil von Lenkdrachen zur Stromgewinnung: Das System lässt sich relativ einfach transportieren.

Zyklische Energiegewinnung

Wenn der Drachen eine Höhe von rund 200 Metern erreicht hat, wird es interessant. Denn dann beginnt er das Verbindungsseil von der Winde am Boden abzurollen und dabei die Winde in Drehbewegungen zu versetzen. Die Drehbewegungen wiederum werden von einem Generator in Strom verwandelt. Damit der Lenkdrachen möglichst viel Kraft hat, fliegt er Figuren, z.B.: eine Acht oder einen Kreis.

Wenn das Seil - bei ungefähr 800 Metern Länge - vollständig abgerollt ist, stoppt der Drachen und wird in den Wind reingeflogen. Zusammen mit Wind und Schwerkraft wird der Drachen wieder auf 200 Metern Höhe zurück gebracht und der Ablauf beginnt von vorn. Dadurch entsteht eine zyklische Energieerzeugung, wie ein Jojo. Es geht immer rauf und runter, rauf und runter.

Für 100 Durchschnittshaushalte Strom erzeugen

Dieses Drachen-Jojo produziert rund 200 Kilowatt, wobei ein Teil der Energie, maximal zehn Prozent, benötigt wird, um den Drachen wieder einzuholen. Die Nettoleistung reicht folglich aus, um etwa 100 deutsche Durchschnittshaushalte mit Strom zu versorgen. Das klingt zunächst nach wenig. Moderne Windturbinen erreichen Leistungen von fünf Megawatt und mehr, also das 25-Fache im Vergleich zu dem Skysails-System. Doch das Konzept scheint sich trotzdem zu lohnen.

Schwebende Windkraftanlagen

Der niederländische Astrophysiker Richard Ruiterkamp, ebenfalls Pionier in Sachen Höhenwind-Forschung, beantwortet das so:

"Der Kerngedanke bei der ganzen Sache ist ja, alle Materialien, die bei einer herkömmlichen Windkraftanlage nicht der Energiegewinnung dienen, quasi wegzulassen. Nehmen wir das Fundament einer Windturbine: Das macht ein Viertel der Kosten einer solchen Anlage aus, trägt aber rein gar nichts zur Energiegewinnung bei. Wenn wir also all diese Komponenten weglassen, die nur unnütz Geld kosten, bleibt so etwas übrig wie eine frei fliegende Windturbine, das ist die Grundidee."

Ein Lenkdrachen-Windpark von Skysails Power zur Energiegewinnung mit Höhenwind.
Ein Lenkdrachen-Windpark von Skysails Power zur Energiegewinnung mit Höhenwind.

Erweiterung der Windkraftnutzung

„Konkurrieren“ sollen die fliegenden Kraftwerke auch gar nicht mit herkömmlichen Windrädern, es gehe vielmehr um eine Erweiterung des bestehenden Windkraft-Portfolios, betont Skysails-Chef Stephan Wrage: "Wir sehen es so, dass die Höhenwindkraft der noch fehlende Baustein ist, um eine hundertprozentige erneuerbare Energieversorgung zu ermöglichen.

Die Windturbinen, die wir haben, sind großartig in der Technologie, bringen viel Leistung, benötigen aber auch viel Wind. Solaranlagen produzieren logischerweise nur am Tag, und es bleibt eine physikalische Lücke, die der Höhenwind decken kann." In der Höhe habe man zwei, drei Mal mehr Wind, als in Erdbodenhöhe, sagt Wrage weiter. Dieses Mehr an Wind führe zu einer enormen Steigerung des Energieertrags.

"Dabei gilt die Formel, dass eine Verdoppelung der Windgeschwindigkeit einer Verachtfachung des Energieertrags entspricht."

Das Team von Skysails Power vor der Anlage in Klixbüll.
Stephan Wrage (in weißem Hemd) und ein Teil seines Teams von Skysails Power vor der Lenkdrachen-Anlage in Klixbüll

Skysails Power will Marktlücke schließen

Genau das macht Höhenwinde so interessant für die Strom-Produktion. Der Windkraft-Experte Holger Lange von der Hochschule Bremerhaven kann sich Lenkdrachen-Systeme, wie das von Skysails Power, vor allem als mobile „Container-Lösung“ abseits großer Siedlungsgebiete vorstellen:

"Eine Containerlösung, wo ich an Stellen der Welt Energie erzeuge, wo es vielleicht nicht anders möglich wäre, wo es vielleicht nur mit Dieselaggregaten möglich wäre. Da sehe ich hier ganz klar eine Marktlücke, die man hiermit schließen kann. Zum Beispiel Inseln oder sehr bergige Regionen oder Dritte-Welt-Länder, wo ich vielleicht ein Krankenhaus zusätzlich versorgen will, damit die Energie stetig da ist und nicht nur dann, wenn ein Kohlekraftwerk auf Hochlast läuft."

Erstes Drachen-System in Afrika

Im laufenden Jahr nun wird Skysails Power sein erstes kommerziell genutztes Drachen-System auf Mauritius vor der Ostküste Afrikas installieren. Laut Stephan Wrage sind herkömmliche Windturbinen dort, im Indischen Ozean, keine Option, weil die hohen Türme und Rotoren Taifunen nicht standhalten.

Ein großer rot-weißer Lenkdrachen schwebt über türkisblauem Meerwasser.
Das erste Lenkdrachen-System soll auf der Insel Mauritus installiert werden.

RWE testet in Deutschland

Ende Januar gab Energieversorger RWE bekannt, dass das Unternehmen einen Kooperationsvertrag mit Skysails Power geschlossen habe. An einem noch nicht genannten Standort will RWE demnach drei Jahre lang die Einsatzmöglichkeiten der Lenkdrachen-Technik auch in Deutschland ausloten.

30 - 50 Prozent günstiger als klassische Windkraftanlagen

Was eine solche Anlage kostet, verrät Skysails noch nicht. Nur soviel: Mit einem sechs- bis siebenstelligen Euro-Betrag müsse kalkuliert werden. Konkreter wird Chef Stephan Wrage, wenn es um die erzeugte Energie geht. Die Gestehungskosten, also die Kosten bei der Energieumwandlung für eine Kilowattstunde Strom, seien etwa 30 bis 50 Prozent günstiger, als bei einer klassischen Windkraftanlage. Demnach liege der Preis aktuell irgendwo zwischen fünf und zehn Cent und perspektivisch in Richtung drei Cent.

Drei Cent als Zielmarke, klingt ambitioniert, ist aber offenbar durchaus machbar. Zu dieser Einschätzung gelangte auch die Fraunhofer-Gesellschaft vor einigen Jahren in einer Studie zum Thema Energie aus Höhenwinden.

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Christoph Kersting
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Oliver Schönfeld