Benedikt Bösel managt ein großes Gut in Brandenburg. Der 37-Jährige, der in seinem vorherigen Leben Banker war, steht inmitten seiner Kuhherde als er das sagt:
Das alte System ist kaputt
Bösels will einen radikalen Wandel in der Landwirtschaft. Das alte System sei kaputt und teuer. Weil zum Beispiel ausgelaugte Böden nur wieder mit teurem Dünger fruchtbarer gemacht werden könnten. Am Ende rechne sich das nicht, sagt Bösel, der 15 Jahre in der Finanzbranche arbeitete.
Auf seinem Hof Gut&Bösel in Alt Madlitz in Brandenburg testet er deswegen die unterschiedlichen Formen der Land- und Forstwirtschaft. Sie haben alle eines gemeinsam: Sie sind nicht konventionell.
Tiere kennen keinen engen Stall
Bösels 100 Kühe kennen keinen engen Stall. Er begrüßt sie an diesem sonnigen Morgen mit "Hi Mädels". Die Tiere mit viel Fell sind schon aufgeregt.
Sie kennen den Ablauf, der sich je nach Jahreszeit mehrmals am Tag genauso abspielt: Bösel und sein Mitarbeiter rollen den Zaun der Tiere ein paar Meter nach vorne, damit diese an frisches Futter kommen. Sofort stürzen sich die Tiere erfreut auf das neue Grün. Sie wirken ziemlich entspannt.
Ganzheitliches Weidemanagement
Die Tiere sollen aber nur die Spitzen abfressen, erklärt Bösel lachend. Nicht zu viel. Dadurch bleibe dann genug übrig, dass die Pflanzen weiterhin Photosynthese betreiben könnten. Durch das Abfressen bekomme das Gras einen Wachstumsimpuls, der auch in die Wurzeln gehe, die dann wiederum den Boden auflockerten und versorgten.
Ein Teil der Pflanzen würden die Kühe dann auch noch in den Boden trampeln: das sei gute Nahrung für die Bodenorganismen. Gedüngt wird mit dem Mist der Tiere.
Kühe seien keine Klimakiller
Bösels Tiere grasen im Winter auf Flächen, in denen im Sommer Getreide angebaut wird. Das geht, weil die Flächen nicht brach liegen, sondern Bösel und sein Team immer Unter- oder Zwischenfrüchte anbauen wie Klee und Gräser.
Durch das häufige Umstellen der Tiere und aufgrund des Dungs habe das Gras Zeit sich zu erholen, Kohlenstoff könne so im Boden gespeichert werden. Die Kühe trügen so sogar zur Reduzierung des Klimawandels bei, erklärt Bösel. Ganzheitliches Weidemanagement heißt dieses System.
Landwirt sein wollte er nie
Zu Bösels Hof "Gut&Bösel" gehören neben den Tieren 1000 Hektar Agrarfläche und 2000 Hektar Wald. Ein Wald, den Bösel schon lange kennt. Den vor ihm bewirtschafteten seine Eltern das Gut und sein Stiefgroßvater. Eigentlich wollte Bösel nie Landwirt sein. Doch in seinem alten Job fehlte ihm etwas:
Die Monokultur muss weg
Seit 2016 führt Bösel den Betrieb. Sein Herz sei hier, in seinem Wald sagt er. Hier reihen sich 40-60 Jahre alte Kiefer an Kiefer, überall wohin man schaut. So wie es in Brandenburg üblich ist.
Zwar wächst dieses Holz schnell, aber man zahlt einen Preis: Der Wald ist anfälliger für Schädlinge, für Brände. Kaum Diversität. Auch nicht unter den Kiefern, am Boden, der extrem sandig und trocken ist. Der Humusaufbau ist so sehr schwierig. Der Boden hält schlecht das Wasser.
Brandenburg gehört zu den trockensten Gegenden Deutschlands. Der Klimawandel schlägt hier voll zu. Bösel erlebte vier Dürrejahre in Folge und beschließt: es muss anders gehen.
Syntropische Landwirtschaft
Mitten in diesem Kiefern-Wald taucht dann plötzlich eine 1,5 Hektar große Fläche auf: Alle Kiefern wurden an diesem Platz gefällt. Kompletter Kahlschlag. Noch ist es schwer vorstellbar, aber hier soll ein gesundes Ökosystem entstehen. Die gefällten Stämme liegen am Boden und wurden von Bösels Team in zwei Reihen gelegt. Dazwischen wächst schon Hoffnung: ein zarter Mischwald.
Über 30 verschiedene Arten. Tausende Bäume. Pappel, Eichen, Buchen, Douglasien, aber auch Sanddorn, Liguster, Schlehen und Himbeeren wurden hier nach dem Prinzip der Syntropischen Landwirtschaft gepflanzt, erklärt Bösels Mitarbeiter:
Es ist eine von vielen Versuchsflächen, die Bösel betreibt. Begleitet wird der Waldumbau von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
Auf der "Mikadofläche" neben dem Kahlschlag zum Beispiel wurde nur ein Teil der Kiefern entnommen, die gefällten Stämme aber kreuz und quer im Wald gelassen, um so auf natürliche Weise Wild davon abzuhalten, an den neuen kleinen Bäumchen zu knabbern.
Bösel und sein Team wollen herausfinden, welcher Waldumbau hier sinnvoll ist, sodass er am Ende auch was abwirft. Das gilt auch für seine Ackerflächen, auf denen Bösel Agroforst ausprobiert: er pflanzt also auf seine Feldern Baumstreifen.
Alles wird wissenschaftlich begleitet
Er wolle keine Ökoblase schaffen, sondern Fakten, betont Bösel. Alle Versuche werden wissenschaftlich begleitet, viele Daten gesammelt. Bösel möchte so beweisen, dass sein System am Ende lohnender als die konventionelle Landwirtschaft ist.
Zu wenige stellen um
Das sei auch ein Grund, warum viele Landwirte und Landwirtinnen bisher ihren Betrieb noch nicht umgestellt hätten. Auch weil sie abhängig von dem bisherigen System seien, der Politik, die vor allem die Betriebe förderte, die viel produziert hätten.
Alles muss neu gedacht werden
Die Finanzierungskonzepte, die Subventionierung, die wissenschaftliche Ausrichtung - all das brauche in Zukunft eine andere, nachhaltigere Ausrichtung, erklärt Bösel.
Es brauche einen Ansatz, der die Landwirte bei der Umstellung hin zu einer regenerativen Landwirtschaft unterstütze und sie nicht hemme. "Wir müssen viel mehr darüber sprechen, was wir für die Landwirte und Landwirtinnen infrastrukturell verändern müssen, damit diese tun können, was wir von ihnen benötigen."
Bösel möchte mit seiner Arbeit deswegen möglichst viele ansprechen, besonders auch junge Menschen, die er zum Beispiel über den Instagramaccount des Hofs erreicht. Er will zeigen, wie sinnvoll das ist, was auf dem Hof passiert. Das Berufsbild Landwirt und Landwirtin neu denken.
Denn Bösel weiß, so ein Wandel geht nur, wenn viele mitmachen.