Jochen Steiner, SWR2 Impuls: Wir schauen mal ein bisschen in die Zukunft. Da könnte SWR2 Impuls nicht mehr von mir moderiert werden, sondern von einem Chatbot, der mit künstlicher Intelligenz arbeitet, die Moderationen schreibt, im Studio zugegen ist und sie gleich einspricht wie auch die Beiträge der Sendung erstellt.
Was mache ich dann den ganzen Tag? Themen finden vielleicht und längerfristige Planungen der Sendung – wobei, das könnte die Künstliche Intelligenz vielleicht auch machen. Da habe ich schon ein bisschen Angst, nicht unbedingt komplett die Arbeit zu verlieren, aber dass diese sich deutlich verändern könnte. Und mit dieser Befürchtung bin ich nicht allein.
Wird es in Zukunft noch Journalistinnen und Journalisten geben oder macht deren Arbeit die Künstliche Intelligenz?
Jens Südekum: Ich bin ganz optimistisch, dass es auch weiter Journalistinnen und Journalisten geben wird. Der Job wird sich wahrscheinlich tatsächlich ein bisschen ändern. Sie müssen dann vielleicht nicht mehr langweilige Standardtexte über das Fußballspiel letzte Woche schreiben. Das kann vielleicht die KI machen und sie haben dafür mehr Zeit für Recherchen und tolle Interviews. Von daher bin ich ganz optimistisch.
Weg von den Journalistinnen und Journalisten hin zum Arbeitsmarkt generell: Da ist die Befürchtung, die KI könnte zu Massenarbeitslosigkeit in bestimmten Berufsfeldern führen. Ist diese Angst berechtigt?
Jens Südekum: Massenarbeitslosigkeit ist nicht das Szenario, von dem ich ausgehe. Veränderungen wird es auf jeden Fall geben. Die KI ist breit einsetzbar und einige Berufsfelder sind tatsächlich durch Tätigkeiten geprägt, die ganz gut ersetzt werden können durch Technologien.
Welche wären das zum Beispiel?
Jens Südekum: Etwa administrative Routinetätigkeiten, wie das Ausfüllen von Excel-Dateien, aber auch das Schreiben von Standardtexten, die sich immer stärker wiederholen, Recherchen und das Zusammenstellen von Informationen – das alles sind ja Dinge, die kann die KI in letzter Konsequenz schneller und effizienter. Aber das heißt nicht, dass die Menschen, die diese Tätigkeit momentan noch ausführen, deswegen arbeitslos werden.
Typischerweise ist ein Beruf zusammengesetzt aus einem ganzen Bündel von Aufgaben. Davon sind einige gut ersetzbar, andere nicht. Das typische Bild, das wir immer wieder gesehen haben, ist dass, wenn ein Technologie kommt, die einen Teil dieser Aufgaben übernehmen kann und sich die Menschen auf den Teil ihres Berufs konzentrieren können, der nicht so einfach automatisierbar ist. Also alles, was vor allem mit menschlicher Interaktion zusammenhängt, mit Kommunikation, Kreativität, strategischer und längerfristiger Planung.
Dadurch steigt dann im Prinzip auch die Produktivität in einem Job, weil man einfach ein viel besseres Gesamtpäckchen schnüren kann, zusammengesetzt aus Mensch und Maschine.
Eine KI mit Bewusstsein - ist das möglich?
Werden wir einen Blick zurück, da gab es ja auch schon die eine oder andere technische Veränderung. Wie ging das damals zum Beispiel, als die Robotik in der Automobilindustrie ankam?
Jens Südekum: Das war in Deutschland im Großen und Ganzen eine Erfolgsgeschichte. Als die Roboter kamen, gab es auch die große Befürchtung, dass jetzt alle arbeitslos werden. In unserer Forschung haben wir aber gesehen, dass daraus keine Arbeitslosigkeit erwachsen ist. Stattdessen haben die Automobilkonzerne die Menschen gehalten, die Arbeitsplätze stabil gehalten, sie umgeschult und weitergebildet in ganz andere Berufsfelder. Teilweise so etwas wie die Wartung der Roboter und die Zusammenarbeit mit den Robotern, teilweise aber auch völlig andere Tätigkeiten, also Marketing, Administrationsjobs und so weiter.
Das hatte auch mit der demografischen Situation in Deutschland zu tun. Ein Unternehmen hat heute ja extreme Schwierigkeiten, überhaupt in neuen Berufsfeldern Personal zu finden. Viele Unternehmen sagen, bevor sie sich auf die Suche begeben und niemanden finden, nehmen sie doch lieber die Leute, die sie haben und kennen, bilden sie weiter und schulen sie. Das hat in Deutschland in der Vergangenheit sehr gut funktioniert.
Wenn wir jetzt den Blick aus der Vergangenheit nach vorne in die Zukunft werfen: Gibt es denn auch schon Forschung, die zeigt, wie sich die KI konkret auf den Arbeitsmarkt in Deutschland auswirken könnte?
Jens Südekum: Also die Art von Forschung, die wir gemacht haben zu den Robotern, das kann man so für die KI noch nicht machen. Die Robotik gibt es schon seit den 90er-Jahren. Da konnte man verfolgen, was tatsächlich mit den Beschäftigten am Arbeitsmarkt passiert ist, wie mit ihren Löhnen und Beschäftigungsprofilen.
Das geht bei KI noch nicht, weil es ein Phänomen ist, was erst in den letzten zwei, drei Jahren so richtig durch die Decke gegangen ist und was auch noch nicht wirklich in der Breite angekommen ist. Die Art von Forschung kann man vielleicht in fünf Jahren machen.
Heute ist man eher festgelegt auf informierte Spekulation. Man schaut also, welche Art von Tätigkeiten die KI wohl erledigen könnte und welche Berufe einen hohen Anteil an genau solchen Tätigkeiten haben, die prinzipiell automatisierbar sind. Da kommt dann raus, dass zum Beispiel Rechtsanwälte zur Gruppe der gefährdeten Berufe gehören, weil ein Teil dieser Tätigkeiten prinzipiell automatisierbar ist. Heißt das jetzt, dass alle Rechtsanwälte arbeitslos werden? Nein, wahrscheinlich nicht. Das heißt aber, dass sich der Beruf wahrscheinlich ein bisschen wandeln könnte in Zukunft.
Sie befürchten also nicht, dass viele Berufsgruppen komplett vor der Arbeitslosigkeit stehen. Die Berufe werden sich aber wandeln, Sie haben den Rechtsanwalt angesprochen. Das muss ja vielleicht nicht schlecht sein. Gibt es denn auf der anderen Seite auch Berufsgruppen, von denen Sie jetzt schon sagen würden, dass sie durch KI deutlich profitieren könnten?
Jens Südekum: Im Grunde können das auch die Rechtsanwälte sein. Wenn Rechtsanwälte die neuen technologischen Möglichkeiten clever nutzen, können sie sich stärker auf wirklich kreative Dinge und die Zusammenarbeit mit den Mandanten konzentrieren. Dadurch kann am Ende etwas viel Besseres als Produkt herauskommen.
Es gibt viele Beispiele. Nehmen wir etwa das Bankenwesen. In der Vergangenheit gab es da auch langweilige Tätigkeiten. Wenn Kunden Bargeld brauchten, mussten sie zur Bank gehen und sich das Geld dort auszahlen lassen. Dann kam irgendwann der Geldautomat. Ist der Bankensektor deswegen geschrumpft? Im Gegenteil. Er ist wachsen, weil das Bankenwesen sich plötzlich neuen Themen gewidmet hat und ganz neue Geschäftsfelder erschlossen und neue Bedürfnisse befriedigt hat. Ich denke, diese Möglichkeit besteht jetzt prinzipiell auch in Reaktion auf die KI.
In vielen Bereichen klagen wir über einen Fachkräftemangel. Wenn es jetzt so ist, dass die KI uns stupide Tätigkeiten abnimmt, könnte die KI dann den Fachkräftemangel in der Hinsicht ein bisschen abmildern?
Jens Südekum: In der Tat und deswegen, glaube ich, ist Deutschland, was die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt angeht, tatsächlich ein Stück weit anders betroffen als Länder wie die USA, wo es diesen Fachkräftemangel in der Form nicht gibt.
In den USA ist daher auch die Diskussion stärker von Angst vor Jobverlust und sozialem Abstieg durch KI geprägt. Dagegen muss man in Deutschland sagen, dass wir in vielen Bereichen froh sein können, wenn die Technologie Routineaufgaben übernimmt, weil dadurch in gewisser Weise auch Arbeitskraft frei wird, die an vielen Stellen händeringend gesucht wird.