Eine Künstliche Intelligenz (KI) ist extrem gut darin, Muster zu erkennen: Trainiert man sie mit tausenden Krebs-Fallbeispielen, so entwickelt sie sich zu einem Expertensystem für Krebserkennung. Das ist menschlichen Expertinnen und Experten zumindest ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen.
Mangelnde Transparenz: Ärzte vertrauen KI-Systemen noch nicht
Hautkrebs, Brust- und Darmkrebs, Prostata- und Lungenkrebs: Bei allen verbreiteten Tumorarten leistet der Computer mittlerweile Hilfestellung bei der Diagnose. Er stützt sich dabei auf Bilder aus dem Ultraschall, dem Computertomographen, dem MRT oder auf Bilder aus dem Mikroskop, das bei der Untersuchung von Gewebeproben zum Einsatz kommt.
Und doch hat die Technik ein gravierendes Problem: Die meisten Systeme sind nicht transparent. Sie erklären nicht, wie sie zu ihrer Diagnose kommen. So können Mediziner die Diagnosen nicht mit ihren Fachkenntnissen abgleichen. Das sorgt für Verstimmung, sagt Titus Brinker, der am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg eine Arbeitsgruppe zur KI in der Krebsdiagnostik leitet:
Titus Brinker arbeitet in seinem Team an einer Diagnose-KI für Hautkrebs, die auch erklärt, wie sie zu ihrer Einschätzung gelangt ist. Erst dann wird aus Menschen und KI ein echtes Team, das die besten Diagnose-Ergebnisse liefert, die derzeit möglich sind. Davon ist Brinker überzeugt.
Zu strenger Datenschutz steht KI-Nutzung im Weg
Doch der Dermatologe aus Heidelberg weist noch auf ein weiteres Problem hin, weshalb KI-gestützte Krebsdiagnose in Europa nicht ihr volles Potenzial entfalten kann: der Datenschutz.
Die europäische Datenschutz-Grundverordnung lässt die Verwendung von Patientendaten nur unter strengen Regeln zu – etwa durch Anonymisierung. Dabei werden alle Merkmale und Daten, die eine Person erkennbar machen, gelöscht, getrennt oder verfälscht. Dadurch fehlen der KI vor allem wichtige allgemeine Patientendaten, die ihre Diagnose treffsicherer machen könnten. Für Titus Brinker ist es nicht nachvollziehbar, dass Datenschutz wichtiger ist als die Gesundheit der Patienten.
KI vereinfacht Bestrahlungstherapie bei Krebs
In der Tumordiagnostik ist Künstliche Intelligenz inzwischen weit verbreitet. Doch auch in der Tumortherapie gibt es erste Anwendungen. Ursula Nestle ist Chefärztin in der Abteilung für Strahlentherapie am Klinikum Maria Hilf in Mönchengladbach. In ihrem Fachgebiet, sagt sie, gebe es durch KI einen bedeutenden Fortschritt.
Bisher musste bei der oft mehrwöchigen Strahlentherapie der Bestrahlungsplan bei jeder einzelnen Behandlung neu justiert werden, weil sich die Lage der Organe im Körper der Patienten von Tag zu Tag ein wenig verändert.
In die neuesten Bestrahlungsanlagen ist ein Computertomograph integriert. Der registriert die aktuellen räumlichen Verhältnisse im Körper der Patienten in Echtzeit und passt den Bestrahlungsplan mit Hilfe von KI automaisch an. Das bedeutet Zeitgewinn, höhere Präzision und weniger Nebenwirkungen bei der Strahlentherapie.
KI unterstützter Therapieplan: Der Patient darf mitentscheiden
Mit Begeisterung verfolgt die Strahlentherapeutin Ursula Nestle auch die Entwicklung eines KI-gestützten Patienteninformationssystems. Hier können Tumorpatienten mit ihren Ärzten oder Ärztinnen verschiedene Behandlungsoptionen durchspielen – basierend auf wissenschaftlichen Studien und den persönlichen Patientendaten. So können Patienten zusammen mit ihren Therapeuten eine gut informierte Entscheidung zu ihrer Strahlentherapie treffen:
Weitere Forschung zu KI und Krebsmedizin notwendig
Künstliche Intelligenz verändert die Krebsmedizin in vielen Bereichen. Fachleute wie Ursula Nestle fordern aber auch, dass in klinischen Studien untersucht werden muss, wie die Patienten tatsächlich von diesen Neuerungen profitieren.