"Therapie an digitalem Zwilling ausprobieren"

Interview Uniklinikum Heidelberg: KI in der Krebsmedizin

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Künstliche Intelligenz (KI) kann auch in der Krebsmedizin helfen - bei Diagnose und Therapie. Wie das geht, erklärt Markus Hohenfellner, Chefarzt am Uniklinikum Heidelberg.

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist federführend an einem Projekt beteiligt, das untersucht, wie Künstliche Intelligenz in der Krebstherapie eingesetzt werden kann. Jetzt wurde eine erste Bilanz gezogen.

SWR Aktuell: Wie muss man sich KI in der Krebsversorgung vorstellen?

Markus Hohenfellner: KI in der Krebsversorgung und vielleicht später auch in der Vorsorge sehen wir heute als Erarbeitung eines "digitalen Twins", also eines digitalen Patienten-Zwillings. Im Moment wird einem Patienten, der einen Tumor hat und beispielsweise eine Chemotherapie benötigt, diese Therapie gegeben. Man überprüft dann nach zwei, drei oder sechs Monaten, ob die Therapie anschlägt. Unter Umständen wird diese dann kombiniert mit einer Strahlentherapie oder einer Operation. Der digitale Patienten-Zwilling ermöglicht uns einerseits, dass wir die Therapie zuerst am Zwilling ausprobieren und nicht am richtigen Menschen. Wir können also prüfen, ob für diesen bestimmten Patienten mit seinem bestimmten Tumor diese bestimmte Therapie, die wir im Auge haben, auch die richtige ist.

Prof. Markus Hohenfellner, Universitätsklinikum Heidelberg, Ärztlicher Direktor (Urologische Klinik)
Prof. Markus Hohenfellner, Universitätsklinikum Heidelberg, Ärztlicher Direktor (Urologische Klinik)

"Der digitale Patienten-Zwilling ermöglicht uns dass wir die Therapie zuerst am Zwilling ausprobieren."

SWR Aktuell: Das ist aber wahrscheinlich noch Zukunftsmusik?

Hohenfellner: Das ist nur sehr begrenzt Zukunftsmusik. In einzelnen, kleinen Bereichen können wir schon heute solche Simulationen durchführen. Eine ebenfalls extrem attraktive Anwendung von KI ist, dass wir mit einem entsprechenden Patienten-Zwilling über eine KI-gesteuerte Plattform nach ähnlichen Patienten-Zwillingen suchen, die möglicherweise in der Vergangenheit schon ähnliche Erkrankungen hatten und entsprechend therapiert worden sind. Da können wir Informationen abgreifen, welche Therapie bei welchem Patienten am besten geholfen hat.

"Der Patient profitiert, und die Volkswirtschaft ebenfalls."

SWR Aktuell: Das klingt nach einer kleinen Revolution in der Behandlung von Krebspatienten.

Hohenfellner: Die Revolution ist in diesem Fall eigentlich zweifach. Weil wir Spitzenmedizin mit Ökonomie zusammenführen. Früher hatte man immer den Eindruck, dass Wirtschaftlichkeit und medizinischer Erfolg gegensätzliche Begriffe sind. Man hat gesagt, wenn etwas wirtschaftlich erfolgreich ist, kann es ja für den Patienten nicht gut sein. In diesem Fall ist es aber so, dass der Patient davon profitiert und die Volkswirtschaft ebenfalls. Wenn man einem Patienten von Anfang an die richtige Therapie gibt und nicht erst zwei, drei oder vier Therapien durchprobiert, um dann zu sehen, welche am besten wirkt, profitiert der Patient dadurch. Denn das Zeitfenster, bis er die richtige Therapie bekommt, ist möglichst kurz. Gleichzeitig ist es auch ein wirtschaftlicher Erfolg, weil kein Geld verschwendet wird für falsche Therapien.

SWR Aktuell: Wenn jetzt Therapie und Behandlung digital gestützt sind, läuft man da nicht Gefahr, dass man als Arzt die Nähe zum Patienten verliert? Oder ist es eher ein Vorteil?

Hohenfellner: Man kann Künstliche Intelligenz - digitalisierte KI - genauso sehen wie jedes andere Instrument, das wir benutzen, um Patienten wieder gesund zu machen. Man kann mit einem Messer eine schwere Verletzung zufügen. Man kann aber mit einem Messer, das ein Operationsskalpell ist, einen Patienten auch heilen. Am Ende des Tages ist das Instrument immer das, was der Anwender daraus macht.

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