Dass während der Corona-Krise alles schnell gehen kann, das haben wir im vergangenen Jahr immer wieder gesehen – auch in der Wissenschaft. Was die Forschenden aus Greifswald jetzt aber auf die Beine gestellt haben, dürfte trotzdem einen Rekord darstellen: Drei Tage hätten sie durchgearbeitet, sagt Andreas Greinacher, Leiter der Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald, um zu ihrem Ergebnis zu kommen.
Bestimmte Antikörper gefunden, die Blutgerinnung aktivieren können
Der vermutete Mechanismus, wie diese Sinusthrombosen durch den Impfstoff ausgelöst werden könnten, ist bereits von einem anderen Krankheitsbild bekannt: der Heparin-induzierten Thrombozytopenie. Dabei gerinnt das Blut paradoxerweise nach Gabe des Blutverdünners Heparin und eine Thrombose kann sich bilden. Hier bindet Heparin an ein Protein, das für die Blutgerinnung verantwortlich ist, den Plättchen-Faktor 4. Manche Menschen haben Antikörper, die diesen Heparin-PF4-Komplex erkennen, binden und die Blutgerinnungskaskade aktivieren. Und solche Antikörper konnten die Greifswalder auch in Blutproben von Patienten feststellen, die kurz nach der Impfung mit AstraZeneca eine Sinusthrombose entwickelten.
Laut Andreas Greinacher kann wohl auch ein Bestandteil der Impfung oder eine Reaktion des Körpers auf die Impfung zu so einer Blutgerinnung führen. Seine genaue Vermutung wollte er bei der heutigen Pressekonferenz noch nicht sagen.
Andere Vektorimpfstoffe könnten ähnlich wirken
Laut Experten muss es sich dabei aber um ein sogenanntes Polyanion handeln, ein mehrfach negativ geladenes Teilchen. Infrage kommen könnte zum Beispiel das im Impfstoff eingesetzte Adenovirus. Wäre das der Fall, dann könnten die mRNA-Impfstoffe von Biontech, Moderna und Curevac diesen Mechanismus nicht auslösen. Andere Vektorimpfstoffe, die Adenoviren einsetzen, dagegen schon, wie zum Beispiel der russische Impfstoff Sputnik V oder der Impfstoff von Johnson & Johnson.
Ein endgültiger Beweis, dass der Impfstoff von AstraZeneca für die beobachteten Hirnthrombosen verantwortlich ist, ist das aber noch nicht. Sobald die Arbeitsgruppe aus Greifswald ihre Ergebnisse veröffentlicht, werden diese dann von anderen Wissenschaftlern überprüft.
Sinusthrombosen sind behandelbar
Aber unabhängig davon, ob der Impfstoff oder etwas anderes zu den Blutgerinnseln führt: Dieses Krankheitsbild ist behandelbar. Von ihrer Arbeit an der Heparin-induzierten Thrombozytopenie wissen die Forschenden aus Greifswald, dass die Aktivierung der Blutgerinnung verhindert werden kann – und zwar durch einen anderen Antikörper. Dieser unterbindet die Aktivierung der Blutgerinnung durch den Antikörper gegen den Heparin-PF4-Komplex. Der Therapie-Antikörper dürfte in jedem mittelgroßen Krankenhaus verfügbar sein, so Andreas Greinacher.
Vorbeugend sollte diese Therapie allerdings nicht angewandt werden, denn wie bei jedem Medikament können auch hier Nebenwirkungen auftreten. Wer zwischen vier und 14 Tagen nach der Impfung Symptome einer Thrombose, also zum Beispiel ein schmerzendes, geschwollenes Bein oder starke, anhaltende Kopfschmerzen, hat, sollte zum Hausarzt gehen. Wenn dann eine Thrombose festgestellt wird, kann sie mit der vorgeschlagenen Therapie behandelt werden – ob sie durch den Impfstoff ausgelöst wurde, oder nicht.