Corona-Pandemie

Schulstart in Baden-Württemberg: Es fehlt eine einheitliche Strategie

Stand
Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Als bundesweit letztes Bundesland hat in Baden-Württemberg jetzt wieder der Regelbetrieb in Schulen begonnen. Doch sind die Schulen dafür wirklich gerüstet? Ein Kommentar von Anja Braun.

Dass alle wieder in die Schule und in den Präsenzunterricht zurückkommen, ist offenbar die einzige Möglichkeit, den Unterricht wieder aufzunehmen. Die viereinhalb Monate mit mehr oder weniger gelungenen Versuchen, eine Art Fernlern-Unterricht durchzuführen, haben Eltern ja leider gelehrt, dass man darauf nicht setzen kann. Das Schulsystem hat da versagt.

Der Unterricht zu Hause war für alle Betroffenen eine Herausforderung. Wie das jetzt wieder mit dem Präsenzbetrieb funktioniert, muss sich erst noch zeigen.
Der Unterricht zu Hause war für alle Betroffenen eine Herausforderung. Wie das jetzt wieder mit dem Präsenzbetrieb funktioniert, muss sich erst noch zeigen.

Keine Verbesserungen bei Distanzlernen

Und die Nachbesserungen im laufenden Distanzbetrieb waren auch nicht mehr als Tropfen auf einen heißen Stein. Es wurden nur geringfügige Anstrengungen unternommen, die Defizite zu beheben. Weder die technischen Voraussetzungen in den Schulen haben sich in den vergangenen sechs Monaten großartig verbessert, noch wurden die LehrerInnen durch umfassende Fortbildungen für das Distanzlernen fit gemacht.

Das heißt, um den Präsenzunterricht kommen wir sowieso nicht herum. Warum aber wurde nicht wenigstens dafür Sorge getragen, dass dieser Unterricht möglichst sicher gestaltet werden kann?

Schulstart in Zeiten von Corona - sind die Schulen in BW darauf vorbereitet?
Schulstart in Zeiten von Corona - sind die Schulen in BW darauf vorbereitet?

Keine Abstandsregeln in Klassenzimmern

Im neuen Schuljahr gelten keine Abstandsregeln im Klassenzimmer mehr. Das ist doch lachhaft. Klar fehlen nun die Räumlichkeiten, um die Schülerinnen auf Abstand auseinander zu setzen.
Dabei gäbe es Möglichkeiten: Warum hat Kultusministerin Eisenmann nicht die Schulträger aufgefordert, Hallen wie Gemeindezentren, Sporthallen und Messegelände für die Schulen zu öffnen. So könnte die Raumnot wenigstens etwas entzerrt werden. - Nein, so wichtig scheint regelmäßiger Unterricht dann offenbar doch nicht.

In den Klassenräumen gibt es in BW in den Schulen derzeit (im Gegensatz zu manch anderen Bundesländern) keine Maskenpflicht.
In den Klassenräumen gibt es in BW in den Schulen derzeit (im Gegensatz zu manch anderen Bundesländern) keine Maskenpflicht.

Durchlüften in Klassenzimmern nicht überall möglich

Um die Infektionsmöglichkeiten doch etwas einzudämmen, soll aber in den Klassenzimmern regelmäßig quergelüftet werden- so eine Anweisung. Blöd nur, dass kaum ein Klassenzimmer gegenüberliegende Fenster hat. Noch blöder, dass in vielen Klassenzimmern die Fenster gar nicht geöffnet werden können. Die haben dann halt Pech gehabt, oder?

Kein Geld für Raumlüfter und CO2 Messgeräte

Eine Ausweichmöglichkeit wären Raumlüfter oder wenigstens CO2- Messgeräte, die anzeigen, wenn die Luft im Klassenzimmer zu dick wird. Das gibt es aber wohl nur an ganz wenigen Schulen… Denn Kommunen als Schulträger sind - was Schulausstattung angeht - sowieso chronisch klamm.

Regelmäßig Hände waschen sollten alle Schülerinnen und Schüler. Aber was ist, wenn es dafür viel zu wenig Waschbecken gibt?
Regelmäßig Hände waschen sollten alle Schülerinnen und Schüler. Aber was ist, wenn es dafür viel zu wenig Waschbecken gibt?

Keine Verbesserung bei sanitärer Ausstattung der Schulen

Nach Angaben der GEW haben 80 Prozent der Schulen auch keine zusätzlichen Reinigungskräfte wegen Corona bekommen, die sich um die Säuberung von Lichtschaltern, Türklinken, Handläufen und ähnlich viel genutzten Bereiche kümmern könnten.

Und an vielen Schulen gibt es zu viel wenig Waschbecken, um wenigstens die Hände zu säubern. Doch die sanitären Anlagen in Schulen stehen seit vielen Jahren ganz unten auf der Investitionsliste der Schulträger, daran hat auch Corona nichts geändert.

Maskenpflicht gilt nicht für alle

Immerhin gibt es Maskenpflicht auf den Fluren und im Schulgebäude, solange bis jeder auf seinem Platz sitzt. Und: Kohortenbildung, also möglichst wenig Durchmischung der Schülerinnen und Schüler – wenn möglich auch auf dem Schulhof.

Ausgenommen ist die Oberstufe- jene Teenager, denen vorgeworfen wird, am sorglosesten mit der Corona-Pandemie umzugehen. Sie durchmischen sich täglich, ja oft stündlich und das ist in unserem Kurssystem auch gar nicht anders möglich.

Die Corona-Regeln für die Schulen sind Ländersache. Ob die Regeln in Baden-Württemberg ausreichen, um eine weitere Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verhindern, muss sich erst noch zeigen.
Die Corona-Regeln für die Schulen sind Ländersache. Ob die Regeln in Baden-Württemberg ausreichen, um eine weitere Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verhindern, muss sich erst noch zeigen.

Werden Lehrer*innen zu Superspreadern?

Und die Lehrer*innen? Sie wechseln munter von Klasse zu Klasse – oft sind sie auch noch an andere Schulen abgeordnet, denn es fehlen jetzt mindestens 10 Prozent der Lehrkräfte wegen Corona. Werden die verbleibenden Lehrerinnen so zu neuen Superspreadern? Hoffentlich nicht!

Auch hier gäbe es Möglichkeiten gegenzusteuern. Das Land könnte deutlich mehr Lehrerinnen einstellen und für die Zeit der Pandemie auch mehr Referendar oder Berufseinsteiger an die Schulen holen. Dann könnten auch Klassen geteilt und Lehrkräfte einem kleinen festen Pool an Klassen zugeordnet werden.

Doch stattdessen wird weiter auf das kostengünstige Prinzip der Hoffnung gesetzt. Es wird schon nichts passieren und wenn, dann hoffentlich nur so klar lokal begrenzt, dass man es eindämmen kann.

Für Eltern grenzt dieser Umgang mit den Schulen an Zynismus.

In Baden-Württemberg gilt das Prinzip Hoffnung im Schulbetrieb: Die Maßnahmen werden schon irgendwie ausreichen. Vielleicht auch nicht?
In Baden-Württemberg gilt das Prinzip Hoffnung im Schulbetrieb: Die Maßnahmen werden schon irgendwie ausreichen. Vielleicht auch nicht?