Aerosole sind besondere kleine und leichte Tröpfchen, die nicht wie große Tropfen unter Einwirkung der Erdanziehung sofort Richtung Boden fallen. Während für die großen Tropfen die Reibung an den Luftmolekülen keine Rolle spielt, werden die Aerosole vom Gleichgewicht aus Schwerkraft und Luftwiderstand in der Schwebe gehalten.
Dieser Schwebezustand kann nicht nur für Sekunden, sondern für mehrere Minuten und noch länger anhalten.
Aerosole nicht zwangsläufig flüssig
Der Sprühnebel aus einer Spraydose ist ebenso ein Aerosol wie der Nebel an einem Herbstmorgen. Bei Aerosolen muss es sich aber nicht immer um Flüssigkeitströpfchen handeln – der Staub aus Industrieanlagen kann bei entsprechender Wetterlage über mehrere Tage als Aerosolwolke in der Luft bleiben.
Auch der Rauch einer Zigarette ist ein typisches Aerosol. In der Diskussion um die Rolle der Aerosole bei der Ausbreitung der Corona-Pandemie spielen aber nur die Flüssigkeitsaerosole eine Rolle.
Körperwärme reicht als Antrieb aus
Aerosoltröpfchen sind so klein und damit so leicht, dass der sanfte Druck von in die Höhe strömender Warmluft schon ausreicht, um sie in der Schwebe zu halten. Die Wärme der menschlichen Haut kann einen solchen Luftstrom antreiben. Je größer der Temperaturunterschied zur Raumluft, desto ausgeprägter ist diese von der Körperwärme ausgelöste Luftzirkulation.
Die Ausbreitung von Aerosolen zu berechnen, ist mit Hilfe der physikalischen Gesetze der Strömungsmechanik sehr gut möglich. Im April, also in der Phase des Lockdowns zu Beginn der Corona-Pandemie, haben Videos für Aufsehen gesorgt, in denen eine im Computer errechnete Animation verdeutlichte, wie sich die Aerosole einer einzelnen, ohne Maske niesenden Person in einem Supermarkt über die Warenregale hinweg ausbreiten.
Verdunstung löst Aerosole auf
Die allerkleinsten Tröpfchen verdunsten allerdings recht schnell - innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde. Die Lebensdauer der Tröpfchen erhöht sich aber mit ihrer Größe. Und die Aerosole verdunsten langsamer in kühlerer und feuchterer Luft – wie etwa in Lagerräumen oder Zerlegeräumen von Schlachthöfen – die man aber zu Beginn der Pandemie nicht als Problemzonen im Blick hatte.
Endgültig in den Fokus der Corona-Diskussion gerieten die Aerosole im Mai, als US-Forscher untersuchten, wie viele der Aerosoltröpfchen beim Sprechen entstehen und wie lange sie schweben. Das Ergebnis beeindruckte: Es entstehen tausende Tröpfchen unterschiedlichster Größe und sie schweben im Durchschnitt für 8 Minuten im Raum.
Ähnliche Untersuchungen wurden jüngst auch an der Technischen Universität Berlin durchgeführt.
Corona-Pandemie Ansteckung mit Covid-19 - Wie groß ist die Gefahr durch Aerosole?
Das neue Coronavirus kann in winzig kleinen Tröpfchen minutenlang in der Luft schweben - in sogenannten Aerosolen. Wie groß ist die Gefahr, sich dadurch anzustecken?
Kette der Nachweise noch nicht geschlossen
Die nächste Frage ist aber: Befinden sich in diesen schwebenden Tröpfchen überhaupt Viren? Diesen Nachweis zu führen ist schon kniffliger. Zunächst konnte man nur zeigen, dass Teile des Erbguts von Corona-Viren darauf zu finden sind. Der Nachweis kompletter Viren fehlte.
Im August 2020 berichteten Forscher der Universität von Florida erstmals davon, dass es ihnen gelungen sei, komplette Sars-Cov-2 Viren auf Aerosol-Tröpfchen nachzuweisen. Allerdings untersuchten sie Aerosole, die von nur zwei Personen stammten. Statistisch ist die Untersuchung also nicht aussagekräftig, aber als Fallbeispiel beeindruckend. Notwendig ist der Gegencheck dieser Studie durch andere Forschungsgruppen. Wenn das Ergebnis der Überprüfung Stand hält, wäre die Lücke in der Beweiskette zwischen Aerosol-Entstehung und Covid-19-Erkrankung kleiner geworden – aber sie wäre damit keineswegs geschlossen.
Unklar ist allerdings weiterhin, wieviele Viren sich auf den unterschiedlich großen Aerosoltröpfchen befinden und welche Menge notwendig sind, um eine Infektion auszulösen. Auch die Frage, wie lange die Viren auf den durch Verdunstung immer kleiner werden Tröpfchen aktiv bleiben können, ist noch offen.
Die Kette der wissenschaftlichen Nachweise zwischen der Entstehung der Aerosole beim Sprechen und der Infektion einer sich im selben Raum aufhaltenden Person ist also noch nicht lückenlos geschlossen.
Vermutung: Aerosole entscheidend bei Verbreitung des Virus
Betrachtet man aber die vorhandenen Erkenntnisse zusammen mit den Erfahrungen, die in den Arbeitsräumen von Schlachthöfen gesammelt wurden oder bei Gottesdiensten, in denen zwar mit Abstand gesungen wurde, aber dennoch Infektionen zu verzeichnen waren, besteht die begründete Vermutung, dass Aerosole ein wichtige Rolle bei der Ausbreitung des Virus spielen könnten.
Das ideale Klassenzimmer für den Schulstart nach den Sommerferien wäre deshalb eines, in dem die Raumluft ständig abgesaugt und durch Frischluft von außen ersetzt wird, um die Aerosollast zu reduzieren. Doch solche Klassenzimmer gibt es in der Regel nicht.
Deshalb wird es darauf ankommen, die Schulräume so häufig wie möglich durch Öffnen der Fenster zu lüften und zu diesem Zweck in kürzeren Abständen Unterrichtspausen einzuplanen. Auch das Tragen von Masken im Unterricht wird sicherlich nochmals diskutiert werden. Schüler in Nordrhein-Westfalen sollen künftig auch im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. In anderen Bundesländern soll die Pflicht ebenfalls gelten, nicht aber während der Schulstunden.
CO2-Messgeräte könnten Qualität der Raumluft erfassen
Wo viele Menschen in einem Raum sind, wird viel ausgeatmet. Pro Nase geschätzte acht Liter Luft pro Minute. Darin enthalten ist CO2, Kohlendioxid.
Daher gibt es Forderungen, in Unterrichtsräumen zur Corona-Vorsoge CO2 Messgeräte aufzustellen. Denn wenn viel ausgeatmetes CO2 in der Luft ist, dann sind auch viele Aerosole in der Luft. Und eine hohe Konzentration von Aerosolen erhöht das Risiko für alle anderen im Raum, sich anzustecken.
Martin Kriegel vom Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin geht sogar so weit zu sagen, dass die Fenster in den Klassenzimmern eigentlich die ganze Zeit geöffnet sein müssten.