Umwelt

Bakterien im Plastik – so wird Kunststoff abbaubar

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Autor/in
Pascal Kiss
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Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.

Mikroorganismen brauchen häufig Jahrhunderte, um Plastik zu zersetzen. Doch es gibt Ausnahmen: Bestimmte Bakterien können Plastik innerhalb von Monaten auflösen. Diese Bakterien bauen Forschende aus den USA jetzt direkt in das Plastik ein.

In der Apotheke kann man die Bakterien bei Darmproblemen schon kaufen, jetzt soll das Bakterium Bacillus subtilis auch in bestimmten Plastikprodukten leben. Ihr Job: Sie sollen darin erstmal schlummern und dann, wenn das Plastikteil im Müll landet, wachen die Bakterien auf. Die Bakterien sollen das Plastik möglichst schnell und umweltfreundlich zersetzen – so die Idee eines Forschungsteams aus den USA.

Bakterien zersetzen Plastik binnen 5 Monaten

Die Voraussetzungen klingen zunächst gut: Bestimmte Stämme des Bakteriums Bacillus subtilis können Plastik schnell zersetzen. Sie können als Bakteriensporen unter extremen Bedingungen überleben und sich wieder vermehren, wenn die Bedingungen nicht mehr widrig sind.

Das heißt auch: Die Bakterien können in Plastikteilen jahrzehntelang schlummern. Wird das Plastikteil dann später auf dem Kompost entsorgt, werden die Bakterien wieder aktiv und können laut den Studienautoren eine bestimmte Kunststoffart, die Polyurethane, innerhalb von fünf Monaten zu 90 Prozent zersetzen.

Polyurethane sind eine bestimmte Art Plastik, die unter anderem zur Herstellung von Plastikrohren und Folien verwendet wird. Sie können von den Bakterien abgebaut werden.
Polyurethane sind eine bestimmte Art Plastik, die unter anderem zur Herstellung von Plastikrohren und Folien verwendet wird. Sie können von den Bakterien abgebaut werden.

Sind die Bakterien auch für die Industrie nutzbar?

Das wäre schnell genug für den Abbau von kleinen Mengen auf dem Kompost, in großen Anlagen müsste der Abbau aber nochmal deutlich schneller gehen, sagt Mikrobiologe Wolfgang Streit von der Universität Hamburg:

Wenn Sie das Ganze industriell fahren wollen, brauchen Sie einen Abbau innerhalb von wenigen Tagen, idealerweise über Nacht. Von daher ist da noch sicherlich viel Luft nach oben.

Für den Abbau von Plastik in Müllanlagen sind die Bakterien zu langsam.
Für den Abbau von Plastik in Müllanlagen sind die Bakterien zu langsam.

Hitze bei Produktion von Plastik stellt Forschende vor Herausforderung

Klar ist: Die verwendeten Bakterien müssen nicht nur lange im Plastik leben können, sondern auch die hohen Temperaturen bei der Kunststoffherstellung überleben. Viele Kunststoffe müssen bei der Herstellung auf über 130 Grad Celsius erhitzt werden. Eigentlich zu heiß für die Bakterien, doch genau dieses Problem hat das Forschungsteam gelöst.

Für die Produktion von Plastik braucht es Hitze. Dagegen müssen die Bakterien resistent gemacht werden.
Für die Produktion von Plastik braucht es Hitze. Dagegen müssen die Bakterien resistent gemacht werden.

Bakterien werden durch natürliche Selektion hitzeresistent

Sie haben Bakterien so verändert, dass sie auch mit höheren Temperaturen umgehen können. Das Team hat dazu die Prinzipien der natürlichen Evolution ausgenutzt und die Bakterien fast dazu gezwungen, auch mit höheren Temperaturen klarzukommen. Dazu haben die Forschenden die Bakteriensporen immer wieder kurz auf über 100 Grad erhitzt. Ein starker Selektionsdruck – eigentlich sind die Bakterien auf solche Lebensbedingungen nicht angepasst.

Und so sind nach dem ersten Erhitzen direkt über 90 Prozent der Bakteriensporen zerstört worden. Aber ein paar Prozent haben überlebt - sie haben wahrscheinlich zufällige Erbgutveränderungen in sich, um mit Hitze besser klarzukommen. Also konzentrierten sich die Forschenden auf die wenigen überlebenden Bakteriensporen.

Das stäbchenförmige Bakterium bacillus subtilis ist ein Alleskönner: In unserem Darm bekämpft es schädliche Bakterien. Es wird im Bau eingesetzt. Und es soll sogar Plastik abbauen können.
Das stäbchenförmige Bakterium bacillus subtilis ist ein Alleskönner: In unserem Darm bekämpft es schädliche Bakterien. Es wird im Bau eingesetzt. Und es soll sogar Plastik abbauen können.

Die Bakterien durften sich nach dem Erhitzen erholen und konnten sich wieder vermehren. Dann wurden die Bakterien wieder erhitzt und die Überlebenden wieder eingesammelt. Diesen Prozess hat das Forschungsteam über 40-mal wiederholt und die Temperatur immer weiter gesteigert.

Am Ende haben 100 Prozent der Bakterien überlebt - bei Temperaturen von über 135 Grad. Die Forschenden haben also Bakterien gezüchtet, die auch bei höheren Temperaturen für wenige Minuten überleben können.

Kritik an Hitze-Verfahren bei Bakterien

Damit werden die Plastik-fressenden Bakterien erst so richtig interessant. Bei der Kunststoffherstellung werden sie jetzt nicht mehr zerstört und können später, wenn zum Beispiel die Plastik-Handyhülle auf dem Müll landet, diese in wenigen Monaten zersetzen. Klar ist aber auch: Die Bakterienzucht mit dem ständigen Erhitzen und gezielten Aussortieren ist umstritten:

Wenn man da genau hinschaut, dann ist das Gentechnik. Am Ende sind da mehr oder weniger gezielt Mutationen eingeführt worden. Und das ist eine genetische Veränderung. Die ist willentlich da reingebracht worden.

Mikrobiologe Wolfgang Streit glaubt, dass solche Produkte derzeit in Europa wenig Chancen auf eine Zulassung hätten.

Auch Schaumstoff besteht aus Polyurethanen - einem bestimmten Plastik, das die Bakterien abbauen können.
Auch Schaumstoff besteht aus Polyurethanen - einem bestimmten Plastik, das die Bakterien abbauen können.

Plastik-fressende Bakterien auch "solo" einsetzbar

Der Ansatz sei wissenschaftlich sehr interessant, aber er hält den Einsatz von Plastik-fressenden Bakterien in anderer Form für sinnvoller: Die Bakterien müssten gar nicht in das Plastik direkt eingeschlossen werden. Stattdessen könnten Bakterien, oder auch nur Enzyme in Zukunft das eingesammelte Plastik in großen Anlagen wahrscheinlich viel effizienter recyceln – sagt Wolfgang Streit:

Es wäre viel smarter, man würde biotechnologische enzymatische Verfahren haben, die den eingesammelten Kunststoff dann in seine Einzelteile zerlegen und anschließend wieder in den Kreislauf zurückführen.

Und das wäre in Zukunft zumindest für einige Kunststoffarten denkbar. Außerdem könnten in Zukunft noch mehr Enzyme gefunden werden, die beim Plastik-Abbau helfen.

Ob die Bakterien dann aber direkt ins Plastikprodukt eingeschlossen werden, ist eine ganz andere Frage. Aber klar ist: Zumindest im Labor kann das Bakterien-Plastik in wenigen Monaten abgebaut werden.

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