Seit 1. Juli 2021 sind Löffel, Teller und Gabeln aus Plastik verboten. Europaweit. Wer unterwegs einen Kaffee trinken will, muss den bereitgelegten Metalllöffel des Anbieters benutzen. Wattestäbchen haben neuerdings einen Papierschaft, statt Plastikstrohhalmen gibt es solche aus Pappe oder Mehrweghalme aus Glas.
Aber längst nicht jeder Wegwerfartikel aus Plastik verschwindet. Zum Beispiel der so beliebte "Coffee-to-Go Becher": Er besteht aus mit Kunststoff beschichteter Pappe und ist eine der Hauptursachen dafür, dass der Verpackungsmüllberg stetig wächst.
Mehr Verpackungsmüll durch Corona
To-Go-Becher verursachten vor Corona Jahr für Jahr 55.000 Tonnen Müll. Mit der Pandemie haben Take-Away-Angebote sogar noch zgenommen und einen neuen Berg an Wegwerfgeschirr und Verpackungsmüll verursacht – der Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft spricht von über sechs Prozent mehr Verpackungsmüll im Jahr 2020. Die jetzt verbannten Kunststoff-Artikel werden die europäische Plastikflut also nur minimal reduzieren.
Problem Müllexport
Neben dieser neuen EU-Einweg-Kunststoffrichtlinie wurde zum Jahresbeginn 2021 auch die "Basler Konvention zur grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle" aktualisiert. Der Hintergrund: Noch im Jahr 2017 wurden über 600.000 Tonnen Plastikmüll aus Deutschland in sogenannte Drittstaaten außerhalb der EU exportiert – weil das billiger war als den Müll vor Ort zu recyceln. Dieser Art von Müll-Export ist seit Anfang 2021 verboten.
Alternative Plastikverwertungen verbrauchen zu viel Energie
Weil sich viele Materialien bei der Trennung von Müll nur schwer mechanisch sortieren lassen, forschen Hersteller wieder verstärkt an einer alten Idee: der chemischen Verwertung von Plastikmüll. Ziel ist es, Plastik zum Beispiel durch Pyrolyse in neue Kunststoffe zu verwandeln. Das Verfahren ist mit dem der Umwandlung von Holz zu Holzkohle vergleichbar. Es verbraucht allerdings viel Energie und setzt zahlreiche Schadstoffe frei.
Das gilt auch für andere Ideen wie Plastik durch Papier zu ersetzen oder aus Mais oder anderen Rohstoffen herzustellen, die auf dem Acker wachsen. Denn die Papierproduktion vernichtet Wälder, und Ackerflächen würden für die Nahrungsproduktion fehlen. Verschärfend kommt hinzu: Becher aus sogenanntem Bioplastik sind häufig nicht kompostierbar – und außerdem nicht recycelbar. Sie müssen daher aus den Verpackungs-Sortieranlage mühsam herausgesucht werden.
Umweltwissenschaftler suchen trotzdem weiter nach alternativen Verfahren. Vielversprechend ist die Methode Tübinger Wissenschaftler, die aus Cyano-Bakterien, also Blaualgen, kompostierbares Bioplastik hergestellt haben. Allerdings: Die Methode funktioniert bislang nur im Labor.
Kunststoffe aus Öl herzustellen ist günstiger als aus recyceltem Plastik
Eine echte Kreislaufwirtschaft, bei der aus Abfällen etwas Neues wird, stecke noch in den Kinderschuhen, findet der Präsident des Bundesverbands deutsche Entsorgungswirtschaft, Peter Kurth. Er kennt auch den Grund dafür, denn in Deutschland werden die meisten Kunststoffgegenstände immernoch aus dem Primärrohstoff Öl hergestellt. Und nicht aus recyceltem Plastik, denn diese Rezyklate sind teurer als Öl.
Tatsächlich werden nur 12 Prozent der neuen Kunststoffe aus Rezyklaten hergestellt – und entsprechend 88 Prozent aus Rohöl. Der Umweltökonom Holger Berg vom Wuppertal Institut erwartet darum, dass die europaweit verpflichtende Rezyklat-Quote schon bald kommt. Zusätzlich zu der Anfang 2020 eingeführten EU-Plastiksteuer, die die Mitgliedsländer der EU verpflichtet, pro Tonne nicht recyceltes Plastik eine Gebühr von 80 Cent an den EU-Haushalt abzuführen. Da diese Gebühr aus der Staatskasse gezahlt wird und nicht etwa von den Plastikproduzenten, bewerten Umweltschützer diese Steuer jedoch als nicht zielführend.
Viele Unternehmen und Supermärkte setzen Plastik-Rezyklate bereits ein
Holger Berg ist der Projektkoordinator von "Di-Link": Der Name steht für Digitale Lösungen für industrielle Kunststoffkreisläufe. Ziel sei, Rezyklate in hochwertige Kunststoffe zu verwandeln. Zum Beispiel in Parkbänke oder Getränkekartons. Für höherwertige Verwendungen, etwa neue Verpackungen, sind Rezyklate bisher oft nicht zu gebrauchen – weil die chemische Zusammensetzung zu uneinheitlich ist. Bei Di-Link werde die Qualität eines Rezyklats über spezielle Sensoren genauer analysiert, um über seine spätere Verwendung entscheiden zu können, so Berg.
Viele Unternehmen setzen Rezyklate längst ein, darunter die Werner & Merz GmbH mit den Marken Frosch und Emsal, außerdem die Firma Henkel. Sie wissen, dass sie mit "Nachhaltigkeit" viele Kunden binden können. Auch viele Supermärkte wollen nachhaltiger werden: Aldi verspricht ein Drittel weniger Materialeinsatz bei Eigenmarken bis 2022, Rewe bietet schon jetzt manches in 100 prozentigen Rezyklat-Hüllen an. Wer Rezyklate in seinen Verpackungen einsetzt, zahlt weniger Lizenzgebühren an das Duale System.
Besser als Recycling ist der Verzicht auf Plastik
Und auch hier ist ein vorsichtiger Trend zu beobachten: Plastikhüllen verschwinden langsam aus den Gemüseregalen: Aldi will 40 Prozent seines Gemüses unverpackt verkaufen, bei Rewe sind Gurken, Avocados und Zucchinis nur noch mit einem kleinen Aufkleber markiert.
Die Plastikwende nimmt langsam Fahrt auf. Damit unser Verbrauch wirklich nachhaltig wird, muss der Gesetzgeber noch einige Stellschrauben nachschärfen. Großen Einfluss haben aber die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst. Wir könnten zum Beispiel auf Hemdchenbeutel verzichten, diese kleinen dünnen Plastiktütchen, von denen im Jahr 2019 3,6 Milliarden verbraucht wurden. Und wir könnten bewusster einkaufen, was es unverpackt gibt. Denn das ist bereits eine ganze Menge.
SWR 2021 / 2022