Zuerst steckt er den Finger in die Nase, dann in den Mund. Als die Forscherin Dr. Anne-Claire Fabre das Verhalten eines Aye-Ayes, einer in Madagaskar lebenden Lemuren-Art, auf einer Videoaufnahme beobachtet, ist das Tier unverblümt am Popeln. Der Mittelfinger des auch als "Fingertier" bezeichneten Primaten misst etwa acht Zentimeter. Und er scheint sich gut zum Popeln zu eignen, zumindest macht Fabres Video den Eindruck.
Fabre ist Assistenzprofessorin an der Universität Bern und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Natural History Museum in London, wo sie mit einem Forscherteam das Verhalten von Primaten untersucht. Die Frage, die sich die Forscherin zum popelnden Lemuren stellt, ist naheliegend: Wo führt der Finger hin? Um das herauszufinden, erstellt die Wissenschaftlerin mit ihrem Team ein 3D-Modell. Die Forschenden stellen dieses anhand von CT-Scans zusammen, die den Kopf und die Hand des Lemuren abbilden. Das Ergebnis: Der Finger ragt bis in die Kehle, wo das Tier den Schleim herauspickt.
Popeln auch bei anderen Primaten beobachtet
Das Fingertier ist nicht das einzige seiner Art, das seine Finger hin und wieder in die Nase steckt. Bei mindestens elf anderen Primaten ist ein ähnliches Verhalten festgestellt worden. Zum Beispiel bei Kapuzineraffen, Schimpansen, Orang-Utans – und natürlich bei Menschen. Am häufigsten scheint das Popeln bei Arten vorzukommen, die in der Lage sind, Werkzeuge zu bedienen. Kein Wunder, dass sich die Tiere teilweise auch mit Stöcken und anderen Gegenständen helfen.
Gründe für das Nasebohren nicht klar
Warum die Tiere in der Nase popeln, kann die Wissenschaft nicht abschließend beantworten. Es gibt einige Ansätze, mit dem Forschende das Phänomen erklären. Es könnte sein, dass die Primaten durch das Popeln ihre Nase putzen. Eine weitere Theorie ist, dass die Tiere damit ihr Immunsystem stärken. Das Popel-Essen könnte nämlich verhindern, dass Bakterien an den Zähnen haften bleiben, was dann die ein Reaktion des Immunsystems unterstützt. Oder, die Primaten mögen einfach den Geschmack des salzigen Sekrets gerne.
Forschung zum Nasepopeln umstritten
Allgemein ist sich die Forschung bei der Erklärung und Bewertung des Phänomens uneinig. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass das Nasebohren wie eine natürliche Impfung wirken könnte. Ähnlich wie bei den Affen und Lemuren soll das Immunsystem auch bei Menschen die Bakterien erkennen und Antikörper dagegen bilden. So richtig bewiesen ist das aber nicht. Andere Forscherinnen sagen, dass das Nasebohren vor allem gefährlich sei: Es könne zu kleinen Verletzungen in der Nasenscheidewand kommen, die im schlimmsten Fall zu Nasenbluten führen.
Popelalarm Die umstrittene Wissenschaft des Nasenbohrens
Nasenpopeln in der Öffentlichkeit ist verpönt. Wenn man es übertreibt, kann es auch negative Folgen haben. Popel essen könnte hingegen ein Booster fürs Immunsystem sein.
Wenn man es nicht übertreibt, ist das Nasebohren aber trotzdem ungefährlich. In der Öffentlichkeit ist es höchstens ein wenig unanständig – eine Tatsache, die das Fingertier jedoch nicht besonders zu stören scheint.