Medizin

Notfallmedizin schlägt Alarm: Kinder sterben wegen Unterversorgung

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Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Lena Schmidt

Alarmstufe Rot: Die Kinderintensivstationen in Deutschland sind überlastet. Das zeigt eine deutschlandweite DIVI-Umfrage.

Die Kinderintensivstationen in Deutschland sind bereits übergelaufen. Das bestätigt eine Umfrage, welche die Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin DIVI unter allen 130 Kinderkliniken deutschlandweit durchgeführt hat.

Das Ergebnis: Bereits 40 Prozent der eigentlichen Bettenkapazitäten fallen weg, da es keine Pflegekräfte gibt, welche die Kinder in den Betten betreuen könnten. Dadurch haben Kinderintensivstationen zur Zeit im Schnitt weniger als ein Bett frei, berichtet DIVI-Generalsekretär Florian Hoffmann.

Diese Betten konkurrieren um Patienten, die von der Notaufnahme aufgenommen werden müssen. Die vom Rettungsdienst aufgenommen werden. Und: Wir haben natürlich immer Anfragen von anderen Kliniken, die um Übernahme von Patienten bitten.

Größte Probleme in Ballungszentren

Doch jede zweite Kinderintensivstation muss die Aufnahme schwer kranker Kinder ablehnen. Gerade in Ballungszentren sind die Intensivstationen für Kinder oft wochenlang überfüllt.

Mit tragischen Folgen, wie Dr. Michael Sasse von der medizinischen Hochschule Hannover erklärt. Kinder sterben, weil die Kliniken sie nicht mehr aufnehmen können. Diejenigen, die keinen Platz mehr bekommen haben, müssen dann in andere Kliniken transferiert werden. Doch die sind möglicherweise nicht auf die Notfälle der Kinder spezialisiert, erklärt Sasse, und nicht immer finde man eine andere Klinik.

Unüblich hohe Krankheitswelle bei Kindern

Diese ohnehin angespannte Situation wird noch durch eine enorme Infekt-Welle unter den kleineren Kindern verschlimmert. Atemwegsinfekte und Viruserkrankungen kommen in diesem Jahr viel früher und geballter als sonst – unter anderem wohl, weil Kinder in den Corona-Jahren zu wenig Abwehrkräfte gebildet haben.

Aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie holen jetzt drei Jahrgänge von Kindern diese "ausgelassenen" Infekte gleichzeitig nach. Das überfordere die Kliniken total, so Sasse. Es werden Kinder mit Beatmungsgeräten in kleinen Kinderkliniken auf Normalstationen behandelt, die eigentlich auf eine Intensivstation müssten.

Die Situation ist so prekär, dass man wirklich sagen muss: Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können. Und das ist eine Aussage, die auch nicht zu widerlegen ist.

Das Bild zeigt ein krankes Kind, das mit Fieber im Bett liegt.
In diesem Herbst und Winter erkranken besonders viele Kleinkinder an Infektionskrankheiten wie dem Respiratorischen Synzytial-Virus, kurz RSV oder RS-Virus.

Medizinisches Personal am Limit

Die Situation wird noch weiter dadurch verschärft, dass das Pflegepersonal sowie auch die Ärztinnen und Ärzte auf den Kinderintensivstationen bereits lange Zeit am Limit arbeiten:

Wir arbeiten nicht nur am Limit, sondern wir arbeiten über unser Limit hinaus. Und das führt natürlich dazu, dass der Krankenstand auf den Intensivstationen deutlich erhöht ist.

Immer mehr Beschäftigte werden krank. Dazu kommt, dass die Arbeit auf den Kinderintensivstationen auch emotional besonders belastend ist. Die DIVI fordert: Intensiv-Pflegekräfte müssten dringend von Aufgaben wie Putzen, Waschen oder Medikamente sortieren entlastet werden. Auch eine deutlich bessere Bezahlung ist notwendig.

Zunächst aber wird versucht, Platz zu schaffen, indem auch bei Kindern geplante Operationen, die nicht notwendig sind, erstmal verschoben oder häufiger ambulant durchgeführt werden. Diese vorübergehende Maßnahme wurde bereits in der Corona-Pandemie angewandt, um freie Kapazitäten zu schaffen:

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