Heißhungerattacken und morgendliche Übelkeit – das sind zwei typische Symptome, die Schwangeren nachgesagt werden. Die Übelkeit ist bei den meisten Schwangeren zwar lästig, aber harmlos und legt sich nach den ersten Wochen wieder.
Doch bei etwa einer von 100 Schwangeren bleibt die Übelkeit über längere Zeit bestehen und ist dabei so schlimm, dass die Betroffenen kaum Nahrung zu sich nehmen können. Ein prominentes Beispiel ist die britische Herzogin Kate, die während ihrer Schwangerschaften sogar ins Krankenhaus musste.
Betroffene werden oft nicht ernst genommen
Über die Gründe für die extreme Übelkeit und wie man sie verhindern kann war bislang kaum etwas bekannt – doch eine neue Studie macht Betroffenen jetzt Hoffnung.
Das berichtet eine anonyme Betroffene, nennen wir sie Nicole. Was Nicole hier beschreibt, hat einen Namen: Hyperemesis gravidarum – zu Deutsch: unstillbares Schwangerschaftserbrechen. Eine Krankheit, die etwa ein bis zwei Prozent aller Schwangeren betrifft. Doch häufig werden ihre Beschwerden als normal abgetan – immerhin leiden etwa zwei Drittel aller Schwangeren im ersten Trimester an Schwangerschaftsübelkeit. Nicole findet Hilfe in den sozialen Medien.
Ein Schicksal, das auch Marlena Schoenberg Fejzo kennt. Die US-Amerikanerin mit österreichischen Wurzeln musste Ende der 90er Jahre wegen extremer Schwangerschaftsübelkeit ins Krankenhaus – und verlor dabei ihr zweites Kind. Verständnis für ihre Erkrankung von Seiten der Ärzte bekam sie nicht.
Erbgutanalyse zeigt Zusammenhang zwischen einem Hormon und der starken Übelkeit
Das will Fejzo nicht auf sich sitzen lassen. Als Forscherin beschließt sie, sich auf die Suche nach dem wahren Grund für ihre Erkrankung zu machen. Zunächst ist es schwierig, Geld für ihre Forschung zu bekommen.
Deshalb tut sich Fejzo mit 23andMe zusammen, einem Unternehmen, das Erbgut-Analysen für Privatpersonen anbietet. Wer sein Erbgut dort untersuchen lässt, kann sich dafür entscheiden, die Daten für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen. So wird Fejzo auf ein bestimmtes Hormon aufmerksam:
Das Hormon GDF-15 ist kein unbekanntes. Auch in der Krebsforschung gibt es Hinweise, dass es mit starkem Gewichtsverlust in Zusammenhang steht – ähnlich wie bei der Schwangerschaftsübelkeit. Außerdem ist bereits bekannt, dass das Hormon während der Schwangerschaft von der Plazenta produziert wird.
Ein starker Anstieg des Hormons im Zuge der Schwangerschaft führt zu Übelkeit
Ein Verdächtiger war also gefunden. Weitere Studien bestätigen, dass GDF-15 gerade bei den Schwangeren vermehrt vorkommt, die an starker Übelkeit leiden. Doch es fehlt an Beweisen, dass das Hormon tatsächlich die Übelkeit auslöst und nicht etwa eine Folge davon ist.
Fejzo macht sich auf die Suche und arbeitet mit einer Forschungsgruppe aus Cambridge in Großbritannien zusammen. Dem Team fällt etwas auf: Manche Schwangere haben zwar normal viel GDF-15 in ihrem Blut, leiden aber trotzdem an starker Übelkeit.
Was passiert bei Appetitlosigkeit im Gehirn?
Und es gibt eine mögliche Erklärung dafür: Denn Veränderungen im Erbgut sorgen bei manchen Frauen dafür, dass sie vor der Schwangerschaft nur wenig GDF-15 im Blut haben. Kommt es dann aufgrund der Schwangerschaft zu einem starken Anstieg des Hormons, reagieren diese Frauen heftiger als andere.
Nachweis der Ursache offenbart Behandlungsmöglichkeiten
Es verhält sich also ähnlich wie bei scharfem Essen: Menschen, die regelmäßig scharf essen, macht erst extrem scharfes Essen etwas aus. Menschen, die nicht an scharfes Essen gewöhnt sind, haben dagegen schon mit leicht schärferem Essen Probleme.
Um diese Theorie zu überprüfen, machten die Forschenden genau das – sie gewöhnten Mäuse an GDF-15, um dann zu beobachten, wie sie auf eine hohe Dosis reagieren.
Damit war bewiesen: Der starke Anstieg des Hormons GDF-15 löst die Schwangerschaftsübelkeit aus – und es gibt Behandlungsmöglichkeiten. Für Betroffene wie Nicole eine enorme Erleichterung:
Neben einer Gewöhnung an das Hormon vor der Schwangerschaft kommen als Behandlung auch Strategien in Frage, die das Hormon blockieren oder mit Antikörpern abfangen. Entsprechende Studien sind laut Fejzo bereits geplant. Bis Schwangere von den Ergebnissen profitieren können, wird es allerdings noch einige Jahre dauern.