Viele sind nach einer Covid-Infektion schnell wieder auf den Beinen, bei anderen dauert es länger – und bei manchen halten die Beschwerden über Wochen und Monate an. Dann spricht man von Post- oder Long Covid. Ein gravierendes Problem, da ist sich die Fachwelt einig. Aber wieviele Menschen sind betroffen?
Und welche Symptome sind wirklich eindeutige Spätfolgen einer Covid-Erkrankung? Da gehen die Meinungen weit auseinander. Eine Analyse im Fachblatt „BMJ Evidence based Medicine“ sorgt jetzt für neue Diskussionen: Das Risiko für Long Covid werde überschätzt, so die Autorinnen und Autoren. Sie kritisieren verzerrte Studien und unklare Kriterien bei der Diagnose. Ulrike Till mit einer Einordnung:
Fachleute kritisieren mangelhafte Studien zu Long Covid
Das Risiko für Long Covid wird überschätzt, so die Bilanz des Autorenteams um den US-Onkologen Vinay Prasad. Eine heikle These – denn auch Impfgegner spielen die Gefahren von Long Covid gerne herunter. Möglicherweise bekommt die Studie also Applaus von Leuten, die mit evidenzbasierter Medizin auf Kriegsfuß stehen. Das darf man aber getrost ignorieren.
Denn viele Kritikpunkte der Forschenden aus den USA stoßen bei renommierten Fachleuten auf Zustimmung. Auch deutsche Experten bewerten viele der bisher publizierten Studien zu Long Covid als mangelhaft: Die aktuelle Analyse zeigt, dass von 194 untersuchten Studien nur 22 eine Kontrollgruppe hatten.
Viele der Long Covid zugeordneten Symptome sind unspezifisch
Doch nur wenn man Menschen mit nachgewiesener Covid-Infektion mit Gesunden vergleicht, sind die Ergebnisse aussagekräftig. Da sind wir gleich beim nächsten Problem der Erforschung von Long Covid: Rund 200 Symptome werden dem Krankheitsbild inzwischen zugeordnet – viele davon sind aber ganz unspezifisch.
Müdigkeit, Atemlosigkeit und Kopfschmerzen etwa können ganz unterschiedliche Auslöser haben. Und auch andere Virusinfektionen, etwa die Grippe, können zu anhaltenden Beschwerden führen – darauf weist der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Peter Berlit hin.
Expertinnen und Experten forderen bessere Studien zu Long Covid
Er fordert bessere Studien, mit Kontrollgruppen und als Längsschnitt durch die Bevölkerung. Auch die körperliche und seelische Vorgeschichte müsse dabei erfasst werden. Berlit schätzt die Häufigkeit von Long Covid derzeit auf unter fünf Prozent. Andere Fachleute gehen von etwas höheren Zahlen aus. Allerdings sind diese Schätzungen schwierig: Denn auch Expertinnen und Experten werfen die Begriffe Long Covid und Post Covid munter durcheinander.
Halten Beschwerden länger als drei Monate an, heißt es eigentlich Post Covid – daran halten sich aber nur einige. Trotz des Begriffswirrwarrs: Alle Fachleute, die sich zu der aktuellen Analyse geäußert haben, halten Long- bzw Post Covid für ein ernstzunehmendes Problem. Und zwar eines, das dringend weiter gründlich erforscht werden muss – mit besser aufgebauten Studien.