Eileen Furlong erhält den Leibniz-Preis für ihre Forschung an bestimmten Genstrukturen – den Enhancern.

Leibnizpreis 2022

Eileen Furlong erforscht die Bausteine des Lebens

Stand
Autor/in
Veronika Simon
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Eileen Furlong ist Molekularbiologin am EMBL Heidelberg und erhält den diesjährigen Leibniz-Preis für ihre Forschung an bestimmten Genstrukturen – den sogenannten Enhancern.

Die Struktur der DNA kennen wir seit etwa 70 Jahren. Seitdem hat sich viel getan: Gene zu manipulieren ist in Laboren mittlerweile Alltag, es gibt genveränderte Lebensmittel, die ersten Gentherapien sind auf dem Markt. Man könnte meinen, wir wüssten mittlerweile, wie das Genom funktioniert. Doch davon sind wir weit entfernt. Eine Forscherin, die das nur allzu gut weiß, ist Eileen Furlong.

Enhancer beeinflussen embryonale Entwicklung

Eileen Furlong erforscht am Europäischen Molekularbiologie Labor (EMBL) in Heidelberg sogenannte Enhancer.
Von diesen Teilen des Genoms haben die meisten wohl noch nie gehört und selbst von Fachleuten wurden Enhancer lange unterschätzt.

Enhancer können auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krebszellen spielen.
Enhancer können auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krebszellen spielen.

„Enhancer wurden vor 30 Jahren entdeckt, aber man hat nicht verstanden, wie wichtig sie sind. Man kannte ein paar Beispiele, wo Veränderungen in Enhancern zu Krankheiten führen, aber heute weiß man, dass die meisten Mutationen, die zu menschlichen Krankheiten führen, in Enhancern liegen. Es wird immer deutlicher, wie wichtig Enhancer sind.“

Heute weiß man: Veränderungen in diesen Enhancer-Genregionen können zur Entstehung von Krebszellen führen. Aber sie sind auch wichtig für die embryonale Entwicklung. Wenn hier etwas schief geht, können schwere Schäden entstehen oder Fehlbildungen: zum Beispiel Hände mit mehr als fünf Fingern.

Auch bei der embyonalen Entwicklung spielen die Enhancer eine wichtige Rolle.
Auch bei der embyonalen Entwicklung spielen die Enhancer eine wichtige Rolle.

Enhancer haben Einfluss auf Aktivierung von Genen

Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff „Enhancer“?
Ein Ausflug in die Tiefen der Genetik: Wie wir aussehen, wie die Zellen aufgebaut sind, all diese Informationen sind in unseren Genen gespeichert, in der DNA. In jeder Zelle liegen die gleichen Gene im Zellkern vor. Aber die sind nicht alle gleichzeitig aktiv. Das gäbe ein riesiges Chaos.

Alle Zellen in unserem Körper enthalten die gleichen Gene - und doch unterscheiden sie sich stark in Form und Funktion.
Manche Zelltypen müssen elastisch sein und pumpen.
Andere sollten stabil sein und hart.

Für die Aktivierung einzelner Genabschnitte werden sogenannte "Enhancer" benötigt.
Für die Aktivierung einzelner Genabschnitte werden sogenannte "Enhancer" benötigt.

Das ist nur möglich, weil in den verschiedenen Zellen unterschiedliche Kombinationen von Genen aktiv sind – eben genau die, die für den ganz speziellen Zelltyp gebraucht werden. Aber wie wählt die Zelle aus, welche Gene genau aktiv sein sollen? Da kommen Enhancer ins Spiel.

Die sind selbst Abschnitte der DNA. Damit sie einen Effekt haben, müssen bestimmte Komplexe, die sogenannten Transkriptionsfaktoren, an die Enhancer andocken. Zusammen aktivieren sie die Gene. Enhancer helfen also mit, dass jede Zelle genau die genetische Ausrüstung benutzt, die sie braucht.

Eileen Furlong erhält den Leibniz-Preis für ihre Forschung an bestimmten Genstrukturen – den Enhancern.
Eileen Furlong erhält den Leibniz-Preis für ihre Forschung an bestimmten Genstrukturen – den Enhancern.

Forschende wissen heute, dass es Enhancer gibt, sie wissen auch, was sie tun, aber sie wissen nicht wie:

Forschung an Fruchtfliegen liefert wichtige Erkenntnisse

“Man könnte denken, dass alles in der Nähe des Gens passiert. Aber Enhancer können sehr, sehr weit entfernt von dem Gen liegen. Die große Überraschung war, wie weit das geht, wie komplex es ist, wie viele Enhancer ein Gen haben kann. Die Frage ist: Wie kommen Gen und Enhancer zusammen? Je mehr wir lernen, desto klarer wird, was wir alles nicht wissen.“

Fruchtfliegen sind wichtig für die Genforschung.
Fruchtfliegen sind wichtig für die Genforschung.

Nach dem Studium in Dublin und einem Forschungsaufenthalt in Stanford leitet Furlong seit 2019 die Abteilung für Genombiologie am EMBL in Heidelberg. Ihr Forschungsobjekt hier: Die Fruchtfliege Drosophila. Tausende von Fliegenstämmen lagern hier in den Regalen – jeweils mit unterschiedlichen genetischen Eigenschaften.

Fliegen sind günstige Versuchstiere, sie fressen das Hefegemisch in ihren Röhrchen, vermehren sich schnell. Und: Sie sind gar nicht so anders als wir – zumindest aus Genetiker-Sicht.

Es wird schon lange an Genen geforscht. Alles verstanden hat man bis heute nicht.
Es wird schon lange an Genen geforscht. Alles verstanden hat man bis heute nicht.

“Wir haben 70 Prozent der Gene mit ihnen gemeinsam. Das heißt: Wenn man versteht, was diese Gene in der Fliege tun, kann man das oft auf unseren Körper übertragen. Natürlich sind wir etwas komplexer, aber das generelle Prinzip ist das gleiche.“

Auch Grundlagenforschung ist wichtig

Für Eileen Furlong gab es nie einen anderen Berufswunsch als den der Forscherin. Um hier erfolgreich zu sein, brauche man ein großes Durchhaltevermögen, sagt sie. Gerade auch, wenn man sich so ein sehr spezielles Forschungsfeld gesucht hat wie sie mit den Enhancern.

Eileen Furlong erhält den Leibniz-Preis für ihre Forschung an bestimmten Genstrukturen – den Enhancern.
Eileen Furlong erhält den Leibniz-Preis für ihre Forschung an bestimmten Genstrukturen – den Enhancern.

“Es ist wirklich Grundlagenforschung. Aber die ist so wichtig. In vielen Ländern wird vor allem Forschung finanziert, die einen direkten Nutzen für den Patienten hat. Und natürlich ist das wichtige Forschung. Aber wir müssen auch die grundlegenden Prinzipien dahinter verstehen!“

In den letzten Jahrzehnten hat die Molekularbiologie enorme Fortschritte gemacht, davon profitiert auch Furlong. Heute kann man zum Beispiel die Gene von nur einer einzelnen Zelle eines Embryos untersuchen – früher hatte man immer das Gen-Gemisch aller Zellen. So ist eine viel genauere Analyse möglich.

Eileen Furlong (r.) forscht zusammen mit ihrem Team an Genstrukturen, die die Diffenzierung bestimmter Zelltypen ermöglichen– die Enhancer.
Eileen Furlong (r.) forscht zusammen mit ihrem Team an Genstrukturen, die die Diffenzierung bestimmter Zelltypen ermöglichen– die Enhancer.

Dazu kommen neue Werkzeuge wie die Genschere CRISPR/Cas, moderne Bildgebung und künstliche Intelligenz zur Analyse der riesigen Datenmengen. Diese neuen Techniken erlauben einen genaueren Blick auf Furlongs Enhancer. Und vielleicht weiß man bald nicht nur, dass es sie gibt und was sie tun, sondern auch wie sie funktionieren.

Stand
Autor/in
Veronika Simon
Onlinefassung
Ralf Kölbel