Die Struktur der DNA kennen wir seit etwa 70 Jahren. Seitdem hat sich viel getan: Gene zu manipulieren ist in Laboren mittlerweile Alltag, es gibt genveränderte Lebensmittel, die ersten Gentherapien sind auf dem Markt. Man könnte meinen, wir wüssten mittlerweile, wie das Genom funktioniert. Doch davon sind wir weit entfernt. Eine Forscherin, die das nur allzu gut weiß, ist Eileen Furlong.
Enhancer beeinflussen embryonale Entwicklung
Eileen Furlong erforscht am Europäischen Molekularbiologie Labor (EMBL) in Heidelberg sogenannte Enhancer.
Von diesen Teilen des Genoms haben die meisten wohl noch nie gehört und selbst von Fachleuten wurden Enhancer lange unterschätzt.
Heute weiß man: Veränderungen in diesen Enhancer-Genregionen können zur Entstehung von Krebszellen führen. Aber sie sind auch wichtig für die embryonale Entwicklung. Wenn hier etwas schief geht, können schwere Schäden entstehen oder Fehlbildungen: zum Beispiel Hände mit mehr als fünf Fingern.
Enhancer haben Einfluss auf Aktivierung von Genen
Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff „Enhancer“?
Ein Ausflug in die Tiefen der Genetik: Wie wir aussehen, wie die Zellen aufgebaut sind, all diese Informationen sind in unseren Genen gespeichert, in der DNA. In jeder Zelle liegen die gleichen Gene im Zellkern vor. Aber die sind nicht alle gleichzeitig aktiv. Das gäbe ein riesiges Chaos.
Alle Zellen in unserem Körper enthalten die gleichen Gene - und doch unterscheiden sie sich stark in Form und Funktion.
Manche Zelltypen müssen elastisch sein und pumpen.
Andere sollten stabil sein und hart.
Das ist nur möglich, weil in den verschiedenen Zellen unterschiedliche Kombinationen von Genen aktiv sind – eben genau die, die für den ganz speziellen Zelltyp gebraucht werden. Aber wie wählt die Zelle aus, welche Gene genau aktiv sein sollen? Da kommen Enhancer ins Spiel.
Die sind selbst Abschnitte der DNA. Damit sie einen Effekt haben, müssen bestimmte Komplexe, die sogenannten Transkriptionsfaktoren, an die Enhancer andocken. Zusammen aktivieren sie die Gene. Enhancer helfen also mit, dass jede Zelle genau die genetische Ausrüstung benutzt, die sie braucht.
Forschende wissen heute, dass es Enhancer gibt, sie wissen auch, was sie tun, aber sie wissen nicht wie:
Forschung an Fruchtfliegen liefert wichtige Erkenntnisse
Nach dem Studium in Dublin und einem Forschungsaufenthalt in Stanford leitet Furlong seit 2019 die Abteilung für Genombiologie am EMBL in Heidelberg. Ihr Forschungsobjekt hier: Die Fruchtfliege Drosophila. Tausende von Fliegenstämmen lagern hier in den Regalen – jeweils mit unterschiedlichen genetischen Eigenschaften.
Fliegen sind günstige Versuchstiere, sie fressen das Hefegemisch in ihren Röhrchen, vermehren sich schnell. Und: Sie sind gar nicht so anders als wir – zumindest aus Genetiker-Sicht.
Auch Grundlagenforschung ist wichtig
Für Eileen Furlong gab es nie einen anderen Berufswunsch als den der Forscherin. Um hier erfolgreich zu sein, brauche man ein großes Durchhaltevermögen, sagt sie. Gerade auch, wenn man sich so ein sehr spezielles Forschungsfeld gesucht hat wie sie mit den Enhancern.
In den letzten Jahrzehnten hat die Molekularbiologie enorme Fortschritte gemacht, davon profitiert auch Furlong. Heute kann man zum Beispiel die Gene von nur einer einzelnen Zelle eines Embryos untersuchen – früher hatte man immer das Gen-Gemisch aller Zellen. So ist eine viel genauere Analyse möglich.
Dazu kommen neue Werkzeuge wie die Genschere CRISPR/Cas, moderne Bildgebung und künstliche Intelligenz zur Analyse der riesigen Datenmengen. Diese neuen Techniken erlauben einen genaueren Blick auf Furlongs Enhancer. Und vielleicht weiß man bald nicht nur, dass es sie gibt und was sie tun, sondern auch wie sie funktionieren.