Möglicherweise kann eine Impfung gegen Gürtelrose vor Demenz schützen

Medizin

Impfung gegen Gürtelrose könnte Risiko von Demenz senken

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Autor/in
Pascal Kiss
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Emily Burkhart
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Allein in Deutschland leben derzeit etwa 1,7 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Forschende berichten nun: Eine Impfung gegen Gürtelrose könnte das Demenzrisiko senken.

Alt werden ohne Demenz – das ist wahrscheinlich das Ziel aller Menschen. Auch wenn inzwischen 14 Risikofaktoren für eine Demenzerkrankung bekannt sind, verhindern lässt sich Demenz bisher nicht. Nun berichtet ein britisches Forschungsteam im Fachmagazin Nature Medicine über eine interessante Entdeckung: Eine Impfung gegen Gürtelrose könnte das Demenz-Risiko senken oder zumindest den Beginn einer Erkrankung verzögern.

Gürtelrose-Impfung gegen Demenz? Forschende stehen vor einem Rätsel

Dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis hat sich lange angekündigt und trotzdem steht das Forschungsteam noch immer vor einem großen Rätsel.

Immer mehr Analysen zeigen, dass Menschen nach einer Gürtelrose-Impfung ein geringeres Demenz-Risiko haben. Die ersten Studien vergleichen vor allem das Demenz-Risiko von Geimpften und Ungeimpften. Auf den ersten Blick scheint der Vergleich eindeutig: Wer gegen Gürtelrose geimpft ist, erkrankt seltener oder später an Demenz.

Möglicherweise kann eine Impfung gegen Gürtelrose vor Demenz schützen.
Möglicherweise kann eine Impfung gegen Gürtelrose vor Demenz schützen.

Doch dieser Vergleich ist fehleranfällig: Vor allem gesunde Menschen lassen sich häufiger impfen, sagt die Neurologin Christine von Arnim von der Universitätsmedizin Göttingen:

"Menschen, die sich impfen lassen, haben in der Regel ein besseres Gesundheitsbewusstsein, ein besseres Wissen um ihre Gesundheit. Sie sind auch in anderen Bereichen einfach fitter, gesünder und achten besser auf sich."

Eine gesunde Lebensweise senkt das Demenz-Risiko

Wer gesünder lebt, hat sicher auch ein geringeres Demenz-Risiko. Liegt es also nur an den gesünderen Menschen und gar nicht an der Impfung? Diese Frage hat sich auch Markus Eyting vom Heidelberger Institut für Global Health gestellt.

Eine ungewohnt strenge Impfregel spielt dem Wissenschaftler dabei in die Karten: Denn Wales hatte am 1. September 2013 die Impfung gegen Gürtelrose neu eingeführt, jedoch mit einer strengen Altersregel: Nur wer am Stichtag jünger als 80 Jahre alt war, durfte sich impfen lassen. Wer 80 Jahre oder älter war, ging sein Leben lang leer aus, durfte sich in Wales nicht impfen lassen.

Diese vielleicht fragwürdige Praxis hat das Forschungsteam genutzt und fand in der Gruppe mit dem Impfangebot ein geringeres Demenz-Risiko.

Impfung gegen Gürtelrose kann Demenz-Risiko verringern.
Interessante Impfregel für Gürtelrose hat zur Entdeckung des geringeren Demenz-Risikos beigetragen.

Schon lange Verdacht, dass Virus hinter der Gürtelrose das Gehirn beeinflussen kann

Klar ist: In der Demenzforschung wird immer häufiger über die Wirkung der Gürtelrose-Impfung diskutiert, und dabei fällt der Name des Virus, das hinter der Gürtelrose steckt. Die Rede ist von Herpes Zoster. Eine Infektion mit dem Herpesvirus löst nicht nur die Windpocken aus, sondern kann vor allem im Alter zu einer Gürtelrose führen.

Betroffene klagen über Hautrötungen, manchmal mit unangenehmen Nervenschmerzen. Und die sind kein Zufall. Denn die Herpesviren können sich in Nervenzellen einnisten und schlummern dort oft jahrzehntelang nach einer ersten Infektion im Körper.

Möglicherweise kann eine Impfung gegen Gürtelrose vor Demenz schützen
Hinter der Gürtelrose steckt das Virus Herpes Zoster. Auch über einen Zusammenhang zwischen Herpes und Demenz wird nun diskutiert.

Schon lange gibt es also den Verdacht, dass Herpesviren das Gehirn beeinflussen können. Doch noch fehlt aber eine stichhaltige Erklärung, sagt Gedächtnisspezialistin Christine von Arnim: "Außerhalb des Labors gibt es keine harten Daten, die zeigen, dass das so und so funktioniert."

Neue Studie untersuchte erstmals Zusammenhang zwischen verschiedenen Gürtelrose-Impfstoffen

Trotz fehlender Hypothese glauben immer mehr Fachleute an einen Zusammenhang. Dafür sorgt nun auch die neue Studie im Fachmagazin Nature Medicine. Sie hat zum ersten Mal den Effekt zwischen zwei verschiedenen Impfstoffen gegen Gürtelrose verglichen.

Seit Herbst 2017 wird in den USA der neue Impfstoff Shingrix eingesetzt, der den alten Lebendimpfstoff Zostavax ersetzt. Der neue Impfstoff soll noch besser vor dem Virus schützen, wirkt sich das auch auf das Demenzrisiko aus? Ja, sagt das beteiligte Forschungsteam der Universität Oxford.

Im Durchschnitt hat die Demenz bei den Geimpften mit dem neuen Wirkstoff fast ein halbes Jahr später angefangen, sagt Markus Eyting: “Das stimmt mich zuversichtlich, dass das ein weiterer Evidenzpunkt ist, der in die gleiche Richtung geht. Vielleicht ist es wirklich so, dass die Impfung den Unterschied macht.”

Möglicherweise kann eine Impfung gegen Gürtelrose vor Demenz schützen
Der Vergleich zwischen zwei verschiedenen Impfstoffen gegen Gürtelrose zeigt: Demenz konnte mit dem neuen Impfstoff um ein halbes Jahr verzögert werden.

Ergebnisse weisen auf unbekannte Zusammenhänge zwischen Demenz und Virus oder Impfung hin

Das Forschungsteam hat die elektronischen Krankenakten von mehr als 200.000 Menschen über 65 aus den USA ausgewertet. Eine Analyse, die den Demenz-Verdacht rund um das Herpesvirus erhärtet. Wird die Gürtelrose-Impfung also bald zur Demenz-Prävention eingesetzt?

“Es soll nicht heißen: Man sollte sich jetzt unbedingt impfen lassen, sondern: Da ist was, was wir nicht wussten über Demenz und man jetzt weiter anschauen muss. Das scheint irgendwie mit dem Virus zusammenzuhängen, zumindest mit der Impfung. Und wenn die was tun kann, dann kann man auf Basis dessen vielleicht auch weitere Behandlungen und Medikamente entwickeln”, sagt Markus Eyting vom Heidelberg Institut für Global Health.

Klar ist: Die Demenzforschung wartet immer noch auf einen Durchbruch. Derzeit leben in Deutschland 1,7 Millionen Demenzkranke: 2070 werden es fast doppelt so viele sein, prognostiziert das Robert Koch-Institut. Und wer weiß, vielleicht sind die auffälligen Daten der Beginn eines Durchbruchs in der Demenzforschung.

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