Die Studie aus Kanada ist nicht die erste, die zum Schluss kommt: Behandelt ein Arzt eine Frau, sind die gesundheitlichen Risiken für die Patientin teilweise messbar höher als bei einer Behandlung durch eine Ärztin.
Das kanadische Forscherteam analysierte für seine Studie ärztliche Behandlungen in einem Zeitraum von zwölf Jahren und kam dabei zu dem Schluss: Die Wahrscheinlichkeit für postoperative Komplikationen ist für Frauen bis zu 15 Prozent höher, wenn sie von einem Mann behandelt werden. Das Risiko, zu sterben, ist den Ergebnissen zufolge sieben Prozent höher.
Kein Negativeffekt bei Männern
Das Gegenteil ist laut Studie nicht der Fall: Wird ein Mann von einer Ärztin behandelt, hat dies keinen negativen Effekt auf seine Gesundheit im Vergleich zu einer Behandlung durch einen Arzt.
An der Qualifikation liegen diese Unterschiede laut Prof. Natascha Nüssler, Chirurgin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, allerdings nicht. Männer seien keineswegs schlechtere Chirurgen. Vielmehr würden weiche Faktoren eine Rolle spielen. Nüssler vermutet beispielsweise, dass Patientinnen sich gegenüber einem Arzt oft nicht trauen würden, zuzugeben, dass sie immer noch Schmerzen oder Beschwerden haben.
Unterschiede in der Schmerzbehandlung
Zudem hat eine weitere Studie festgestellt, dass von Frauen geäußerte Schmerzen womöglich weniger ernst genommen werden als die von männlichen Patienten. Klagen Patientinnen über Schmerzen, bekommen sie demnach häufiger Beruhigungs- anstatt Schmerzmittel im Vergleich zu männlichen Patienten.
Eine weiterer möglicher Faktor sei, dass männliche Ärzte die Beschwerden von Patientinnen falsch bewerten. So haben Frauen bei einem Herzinfarkt beispielsweise häufig keine Schmerzen in der Brust wie Männer, sondern Schmerzen im Bauch.
Ähnliche Ursachen vermutet Natascha Nüssler auch bei der kanadischen Studie.
Zwar geht Nüssler davon aus, dass die Unterschiede in Deutschland geringer ausfallen, da Patienten im Vergleich zu Kanada oder den USA hierzulande seltener von nur einem Arzt betreut werden, dennoch müsse man auch hier die Ergebnisse sehr ernst nehmen.
Mehr weibliche Vorbilder
Nüssler fordert deshalb mehr geschlechtlich gemischte Ärzteteams. Denn davon gebe es auch in Deutschland noch viel zu wenige. Nicht einmal jeder vierte Chirurg*in hierzulande ist weiblich. Ein Grund für Nüssler sind fehlende Vorbilder.
Das Ziel müsse deshalb sein, die Chirurgie für angehende Ärztinnen attraktiver zu gestalten. Dazu gehöre auch, die Chirurginnen, die es bereits gibt, sichtbarer zu machen. Denn obwohl zum Beispiel der Frauenanteil in der Viszeralchirurgie (Operationen im Bauchbereich) bei knapp einem Drittel liegt, sind gerade einmal zehn Prozent der Führungskräfte in dieser Fachrichtung weiblich.