Medizin

Die Augen von Frauen werden anders krank – was ihnen hilft

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Moderator/in
Martin Gramlich
Martin Gramlich, SWR Kultur Moderator
Interview
Prof. Maya Müller, Ärztliche Direktorin des Instituts für Refraktive und Ophthalmo-Chirurgie (IROC), Zürich
Onlinefassung
Barbara Koller

Männer und Frauen sind unterschiedlich gesund oder krank. Auch in der Augenheilkunde gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Ein Gespräch mit der Augenspezialistin Prof. Maya Müller.

Frauen erblinden häufiger

Martin Gramlich, SWR Impuls: Sind Frauenaugen anders oder anders gesagt, unterscheidet sich schon das Organ selbst bei Männern und Frauen?

Prof. Maya Müller, Ärztliche Direktorin des Instituts für Refraktive- und Ophthalmo-Chirurgie: Es ist so, dass Frauen sich in kleinen Details des Auges selbst, zum Beispiel in Messwerten, biologischen Markern oder anderen Erkrankungsprävalenzen, von Männern unterscheiden.

Und, wichtig: Frauen haben ein höheres Risiko zu erblinden. Wenn man das global betrachtet, haben wir 50 Millionen Blinde weltweit und davon sind 65 Prozent Frauen. Laut einer großen US-Studie von 2023 sind 63 Prozent der Frauen sehbehindert oder blind und nur 37 Prozent der Männer. Frauen haben ein 1,46-fach erhöhtes Risiko beidseits zu erblinden. Wir wissen auch, dass in den Entwicklungsländern der Graue Star häufiger vorkommt.

Weibliches Bein mit Blindenstock
Frauen haben im Vergleich mit Männern ein höheres Risiko zu erblinden.

Hormone sorgen für Unterschiede

SWR Impuls: Dass Frauen öfter erblinden, ist ja tatsächlich ein gravierender Unterschied zwischen den Geschlechtern. Welche Rolle spielen beispielsweise die unterschiedlichen Hormone?

Maya Müller: Die Hormone spielen eine ganz große Rolle. Bestes Beispiel ist das trockene Auge, das sehr hormonell bedingt ist. Insbesondere nach der Menopause leiden Frauen daran, und zwar auch ein bisschen anders als Männer. Frauen haben mehr Schmerzrezeptoren bzw. eine andere Schmerzverarbeitung und nehmen die Symptome wie Reiben, Schmerzen, Tränenfluss oder müde Augen deutlich verstärkt wahr.

Ältere Frau tropft sich die Augen
Frauen nach der Menopause leiden hormonell bedingt oft an trockenen Augen.

Make-up spielt kaum eine Rolle, Büroarbeit dagegen verursacht trockene Augen

SWR Impuls: Besonders Frauen schminken sich häufiger – fällt das in der Augenmedizin ins Gewicht?

Maya Müller: Das eigentlich weniger. Das einzig Relevante ist vielleicht, dass zur Prävention des trockenen Auges die Drüsen, die für die Befeuchtung des Auges sorgen, nicht mit Schminke verklebt werden sollten. Den Lidstrich am Unter- und Oberlid gilt es deshalb am Ende des Tages auf jeden Fall abzuschminken. Ansonsten hat das eher keine Bedeutung.

Was diesbezüglich relevanter ist, gerade für das trockene Auge, ist das Office-Syndrom, also Bildschirmarbeiten, durch wenig Blinzeln oder eine trockene Umgebung, insbesondere im Winter.

Frau vor Laptop reibt sich das Auge
Büroarbeit kann zu trockenen Augen führen.

Mögliche genderspezifische Maßnahmen

SWR Impuls: Wie gehen wir mit geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der Augenheilkunde um? Wie lässt sich das auffangen?

Maya Müller: Das Wichtigste ist erst einmal, insgesamt dafür zu sensibilisieren, dass es bei Männern und Frauen unterschiedliche Bedürfnisse gibt und es deshalb auch unterschiedliche Reaktionen und unterschiedliche Therapieansätze geben sollte.

Das würde bedeuten, dass man berücksichtigt, dass Frauen generell mehr Schmerzempfinden haben. Weitere Maßnahmen wären, dass man Medikamente anpasst oder ändert, wie wir postoperativ mit Schmerzmitteln umgehen. Erkrankungen, die bei Frauen häufiger vorkommen, wie trockene Augen oder schilddrüsenbedingte Augenerkrankungen, sollten außerdem näher untersucht werden.

Frau hält Medikamentendosen in der Hand
Frauen und Männer haben ein unterschiedliches Schmerzempfinden und brauchen deshalb einen anderen Umgang mit Medikamenten.

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