Chimära – das ist ein Mischwesen aus der griechischen Mythologie. Vorne Löwe, in der Mitte Ziege und hinten Drache. Das Wort „Chimäre“ gibt es aber auch in der Biologie und beschreibt dort ein Individuum, das Teile – einzelne Zellen oder ganze Organe – unterschiedlicher Herkunft in sich vereint.
Auf natürliche Art und Weise kann das entstehen, wenn zwei befruchtete Eizellen verschmelzen, die eigentlich zu zweieiigen Zwillingen geführt hätten. Chimären können aber auch künstlich hergestellt werden. Chimäre Mäuse werden zum Beispiel längst verwendet, um bestimmte Fragestellungen zur Abstammung von Zellen innerhalb des Organismus zu untersuchen.
Implantation von Stammzellen in den frühen Embryo
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in China ist es jetzt erstmals gelungen, einen chimären Affen zu züchten und ihn in eine Gebärmutter zu implantieren, was letztendlich zu der Lebendgeburt eines chimären Äffchen geführt hat – das erste Mal, dass so etwas bei einem Primaten gezeigt wurde. Die Studie ist im Fachmagazin „Cell“ erschienen.
Die Forschenden aus China haben dafür in einen Embryo in sehr frühem Entwicklungsstadium – wenn er erst aus 16 oder 32 Zellen besteht – Stammzellen eines anderen Affen implantiert. So haben sich manche Organe und Gewebe mehr aus den eigenen Zellen entwickelt und andere eher aus den implantierten Zellen, die die Forschenden auch Spenderzellen nennen.
Die Nachkommen der Spenderzellen leuchten grün
Insgesamt bestand ungefähr ein Drittel des Äffchens aus Nachkommen der implantierten Zellen. Bei den Motoneuronen, also den Nervenzellen, die die Muskeln steuern, waren es sogar 90 Prozent.
Damit die Zellen einfacher auseinanderzuhalten sind, haben die Forschenden in die Spenderzellen ein Gen eingebaut, dass das unter UV-Licht grün fluoreszierende Protein GFP herstellt. So ist unter UV-Licht beispielsweise erkennbar, dass die Fingerspitzen und Augen des Affenbabys leicht grün leuchten, diese Körperteile also aus vielen Spenderzellen bestehen.
Noch ist das Grundlagenforschung, doch Experten halten die Ergebnisse der chinesischen Studie für einen großen Erfolg, denn die Forschenden haben damit erstmals gezeigt, dass die Chimärenbildung auch bei Primaten funktioniert.
Potentielle Anwendungen in der medizinischer Forschung
Die Forschungsergebnisse aus China haben Potential für weiterführende Anwendungen in Wissenschaft und Medizin. Zum Beispiel könnten davon ausgehend recht komplex manipulierte Gene in einen Organismus eingeschleust werden. Wird das mit den Zellen des eigentlichen Embryos versucht, dann führt das wegen des Eingriffs oft zu so vielen Schäden, dass der Embryo abstirbt.
Da Affen dem Menschen relativ ähnlich sind, erhoffen sich die Forschenden auch mehr Erkenntnisse über menschliche Stammzellen. Das könnte in Zukunft zu verschiedenen Anwendungen führen, sagt Professor Richard Schäfer, Stammzellforscher am Universitätsklinikum Freiburg:
Langfristig bestehe zudem die Hoffnung, dass man in anderen Tieren – zum Beispiel Schweinen – aus menschlichen Stammzellen Organe züchten und so dem großen Mangel an Spenderorganen Abhilfe schaffen könnte. Aber noch sei es dafür zu früh, denn die Chimärenforschung ist hochkompliziert und selbst wenn sie ausgereift ist, wird es wiederum dauern bis die Therapieansätze Anwendung finden können, so der Stammzellforscher.
Bei mehr als 200 Versuchen im Rahmen der Studie entwickelten sich nur zwei chimäre Föten, von denen einer noch während der Schwangerschaft starb und es so letztlich nur eine Lebendgeburt gab. Allerdings musste auch dieses zur Welt gekommene Javaneraffenbaby aus gesundheitlichen Gründen nach zehn Tagen eingeschläfert werden.
Derartige Forschung ist nicht ohne ethische Bedenken
Bei dieser Art der Forschung stellen sich auch ethische und emotionale Fragen. Gerade weil Primaten dem Menschen so ähnlich sind, gelten für sie besondere Regeln.
Die Studie stammt aus China, doch auch in Europa ist Forschung an Primaten erlaubt und wird durchgeführt – auch Chimärenforschung. Bisher allerdings nur bei Embryonen. In Deutschland werden solche Versuche nur dann von der zuständigen Ethikkommission genehmigt, wenn es keine Alternative für sie gibt und auch dann nicht an allen Affenarten.