Corona-Pandemie

US-Forscher: Aerosole können komplette Viren übertragen

Stand
Autor/in
Uwe Gradwohl
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Aerosole spielen bei der Übertragung von Coronaviren eine wohl wichtigere Rolle als gedacht. US-Forscher haben nun gezeigt: Komplette Viren schweben auf Aerosolen durch die Luft.


Aerosol-Tröpfchen sind so klein und damit so leicht, dass der sanfte Druck von in die Höhe strömender Luft schon ausreicht, um diese Tröpfchen in der Schwebe zu halten. Man hat sie im Verdacht, dass sie das Coronavirus übertragen können – aber die Beweiskette hat noch Lücken. Eine davon wurde nun geschlossen.

 Aerosole schweben minutenlang in der Luft

Aerosole und Viren – das passt doch prima zusammen. Die schwebenden Mini-Tröpfchen tragen das Coronavirus, der Mensch atmet die Tröpfchen ein und schon ist er infiziert. Doch so einfach ist das nicht.

Entstehen beim Sprechen überhaupt Aerosole, lautete die erste Frage. Die wurde im Mai beantwortet, als US-Forscher messen konnten, dass tatsächlich Aerosol-Tröpfchen beim Sprechen entstehen. Und zwar tausende Tröpfchen, von unterschiedlichster Größe, und sie schwebten im Experiment im Durchschnitt für acht Minuten in einem Raum mit unbewegter Luft.

Aerosole können Coronaviren transportieren. Das zeigt eine neue, noch unveröffentlichte Studie aus den USA. Müssen die Corona-Abstandsregeln jetzt neu definiert werden?
Aerosole können Coronaviren transportieren. Das zeigt eine neue, noch unveröffentlichte Studie aus den USA. Müssen die Corona-Abstandsregeln jetzt neu definiert werden?

Beeindruckendes Fallbeispiel: Aerosole dienen als "Viren-Taxi"

Die nächste Frage ist aber: Sind in diesen Tröpfchen überhaupt Viren zu finden? Diesen Nachweis zu führen ist schon kniffliger. Bislang konnte man nur zeigen, dass Teile des Erbguts von Coronaviren darauf zu finden sind. Aber keine kompletten Viren.

Doch nun ist es Forschern der Universität von Florida erstmals gelungen, komplette Sars-Cov-2 Viren auf Aerosol-Tröpfchen nachzuweisen. Allerdings wurden die Aerosole von nur 2 Personen untersucht. Statistisch ist die Untersuchung also nicht aussagekräftig, aber als Fallbeispiel beeindruckend.

Aktive Coronaviren können über Aerosole transportiert werden. Wie groß dier Ansteckungsgefahr dann wirklich ist, muss noch weiter erforscht werden.
Aktive Coronaviren können über Aerosole transportiert werden. Wie groß die Ansteckungsgefahr dann wirklich ist, muss noch weiter erforscht werden.

Noch unklar: Reicht Virenmenge aus, um eine Infektion auszulösen?

Notwendig ist nun ein Gegencheck der Untersuchung durch andere Forschungsgruppen. Wenn das Ergebnis der Überprüfung Stand hält, wäre die Lücke in der Beweiskette zwischen Aerosol-Entstehung und Covid-19-Erkrankung kleiner geworden – aber die Lücke wäre damit keineswegs geschlossen.

Unklar ist weiterhin, wie viele Viren sich auf den Aerosol-Tröpfchen befinden und ob diese Menge ausreicht, um eine Infektion auszulösen. Auch die Frage, wie lange die Viren auf den durch Verdunstung immer kleiner werdenden Tröpfchen aktiv bleiben können, ist noch offen.

Erfahrungen aus Schlachträumen und Gottesdiensten als Hinweis für Rolle der Aerosole bei Übertragung von Viren

Also, die Beweiskette ist nicht geschlossen. Betrachtet man aber die bereits vorhandenen Erkenntnisse zusammen mit den Erfahrungen, die in den Arbeitsräumen von Schlachthöfen gesammelt wurden,  oder bei Gottesdiensten, in denen zwar mit Hygiene-Abstand gesungen wurde, und dennoch Infektionen zu verzeichnen waren, dann ist klar: Aerosol-Tröpfchen stehen aus gutem Grund unter Verdacht, eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung des Virus zuspielen.

Abstand halten in geschlossenen Räumen reicht alleine möglicherweise nicht aus, um eine Infektion mit Coronaviren zu verhindern.
Abstand halten in geschlossenen Räumen reicht alleine möglicherweise nicht aus, um eine Infektion mit Coronaviren zu verhindern.
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Uwe Gradwohl
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Ralf Kölbel