Komplementärmedizin: begleitend – aber kein Ersatz für Krebstherapie
Komplementärmedizin ist – wie der Name sagt – eine begleitende Medizin, kein Ersatz für eine Krebstherapie.
Damit Ratsuchende während einer Krebstherapie sich nicht im Internet verlieren, sich auf unseriöse, ja sogar lebensgefährliche Selbstversuche einlassen, hat Jutta Hübner zusammen mit anderen Fachleuten die sogenannte S3-Leitlinie für Komplementärmedizin herausgegeben. Jutta Hübner ist Professorin für integrative Onkologie an der Universitätsklinik Jena.
Klare Soll-Empfehlung: Krebs-Patienten müssen körperlich aktiv sein
Während eine S1-Leitlinie lediglich die gemeinsame Meinung einer Expertengruppe wiedergibt, wird für eine S3-Leitlinie eine große Zahl wissenschaftlicher Studien detailliert ausgewertet und hinsichtlich ihrer Relevanz und Qualität eingeschätzt. Erstmals wurden „Soll-“, „Sollte-“ und „Kann-“Empfehlungen auf Grundlage wissenschaftlicher Daten in der Komplementärmedizin ausgesprochen.
Das bedeutet: Eine „Soll“-Empfehlung ist extrem ratsam, gefolgt von „Sollte-“ und „Kann-Empfehlungen“. Allen voran hat körperliche Aktivität beispielsweise in der S3-Leitlinie eine „Soll“-Empfehlung bekommen. Das heißt, das ist sozusagen etwas, was Krebs-Patienten wirklich machen müssen, bestätigt Prof. Jutta Hübner.
Sport machen und den Vitamin-D-Spiegel im Auge behalten
Die Studie geht weiter ins Detail und bewertet die Qualität von verschiedenen Bewegungsarten nach Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Geschicklichkeit. Auch die Empfehlung zur Messung und Substitution des eigenen Vitamin-D-Spiegels habe in der Studie eine klare Empfehlung bekommen, so Jutta Hübner.
Akupunktur kann Nebenwirkungen lindern
Petra Voiß ist Oberärztin der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Evang. Kliniken Essen-Mitte. Sie verweist auf Daten aus den USA: Ärzte der Yale School of Medicine haben in der National Cancer Database der USA die Daten von Patienten mit nicht metastasierten Malignomen der Brust, der Prostata, der Lunge und des Kolorektums – also Dick- und Enddarm – analysiert, die auf jede konventionelle Therapie ihrer prinzipiell noch heilbaren Tumoren verzichtet hatten. Das hat sich schlicht lebensverkürzend ausgewirkt. Wer eine konventionelle Krebstherapie macht, kann aber vieles zusätzlich tun: "Wir bieten auch Akupunktur an, um Nebenwirkungen zu lindern. Und wir machen Ausdauer- und Krafttraining. In der neuen S3-Leitlinie zur Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patienten haben diese Verfahren alle eine „Kann-“ oder „Soll-“Empfehlung."
Warnung vor Wechselwirkungen: keine Grapefruit, Vorsicht bei Kurkuma und Johanniskraut
Auf großes Interesse stoßen bei Patientinnen und Patienten aber auch Nahrungsergänzungsmittel und Phytotherapie, also die Behandlung mit Heilpflanzen. Die Misteltherapie beispielsweise ist in der Leitlinie als „Kann“-Verordnungsmöglichkeit dargestellt. Diese Empfehlung gilt jedoch laut Leitlinie nicht für alle Krebsarten.
Neben den Empfehlungen, die in der S3-Leitlinie für die unterschiedlichsten Symptome und Erkrankungen aufgelistet sind, geht es daher auch um die Vermeidung von Wechselwirkungen. Das Gespräch und Vertrauen zwischen Patienten und medizinischem Personal ist hier entscheidend.
Onkologische Patienten sollten wissen, dass sie keine Grapefruit zusammen mit Krebsmedikamenten essen sollten, so der allgemeine Hinweis von Experten. Auch hochkonzentrierte Johanniskrautextrakte sollten laut der neuen Studie mit den meisten anti-tumoral wirksamen Substanzen nicht kombiniert werden. Sie stimulieren ein Enzym in der Leber, sodass die Substanzen möglicherweise schneller abgebaut werden als gewünscht. Auch von Kurkuma sind unerwünschte Wechselwirkungen bekannt.
Leitlinie mit Kriterienliste für seriöse Anbieter von Komplementärmedizin
Weil Patienten solche Feinheiten nicht wissen können, finden sie fachkompetente Beratung bei einem gut ausgebildeten Komplementärmediziner. Auch hier hilft die neue Leitlinie den onkologischen Patienten und Patientinnen mit einer Kriterienliste für seriöse Anbieter von Komplementärmedizin.
Die S3-Leitlinie Komplementärmedizin steht im Internet und ist – in der Vollversion für Ärztinnen und Ärzte – über 600 Seiten lang. Im Anhang der Leitlinie finden Patienten zudem einen Fragebogen. Dort können sie zum Beispiel ankreuzen, ob sie Phytoöstrogene, Selen oder Vitamine einnehmen, ob sie fasten oder Heiltee trinken. Das „Ampelprinzip“ zeigt, ob etwas gut ist oder eben nicht, und ob sie das Gespräch mit ihrem Arzt suchen sollten.