Denn hier in Südwestdeutschland waren die Menschen nicht nur besonders liberal eingestellt, sondern sie profitierten auch von der geografischen Situation, der Nähe zur Schweiz und zu Frankreich. Das sorgte dafür, dass die Badische Revolution 1848 Spuren bis heute hinterlassen hat. Denn immerhin kam es in der Folge zur Einberufung der ersten Nationalversammlung am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche.
Gruppe um Hecker und Struve fordert Parlament sowie Presse-, Gewissens- und Lehrfreiheit
Bereits im Herbst 1847 gibt es in Offenburg in der Gaststätte "Zum Salmen" eine politische Großkundgebung. Angeführt von charismatischen Rednern wie Friedrich Hecker und Gustav Struve fordert eine Menschenmenge Presse-, Gewissens- und Lehrfreiheit sowie ein Parlament als wahre Volksvertretung. "Die Stadt hatte einen Bahnhof, einen sehr liberal eingestellten Bürgermeister. Und weiterer Aspekt war auch die Nähe zu Frankreich, weil man schnell nach drüben hätte fliehen können"; erklärt Katerina Ankerhold. Sie leitet die Erlebnis- und Erinnerungsstätte im "Salmen", die dort 2022 eingerichtet wurde.
Vorbild Frankreich: Bevölkerung schlägt 1848 König Louis Philippe in die Flucht
Der Anstoß für die Unruhen im Frühjahr 1848 aber kommt aus Frankreich. Dort zwingt die Bevölkerung am 24. Februar 1848 König Louis Philippe zur Flucht ins Exil. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Bereits drei Tage später wird in Mannheim eine Volksversammlung mit 2.500 Zuhörern organisiert, bei der abermals Struve und Hecker die wichtigsten Reden halten.
In Baden gärt es: Demonstrationen in Offenburg und Rastatt
In den folgenden Wochen gärt es im gesamten Großherzogtum Baden mit seinen nur gut 1,2 Millionen Einwohnern. In Offenburg versammeln sich mehr als 20.000 Menschen, um für Wohlstand, Bildung und Freiheit zu demonstrieren. Auch in Rastatt, wo der Deutsche Bund – eine Allianz aller 38 Einzelstaaten und Städte – gerade von tausenden auswärtigen Bauarbeitern und Ingenieuren eine Festung fertigstellen lässt, wird politisiert und statt der badischen Fahne die schwarz-rot-goldene deutsche Flagge gehisst. "Man hat einfach die (rot-gelbe) badische Fahnen genommen und noch einen schwarzen Streifen drangenäht und an drei Stellen in der Stadt aufgehängt", berichtet Irmgard Stamm vom historischen Verein Rastatt.
Revolutionäre fordern Republik – und werden von Fürsten und Liberalen ausgebootet
Doch ist die Flaggen-Frage nur ein symbolisches Zugeständnis der Fürsten des "Deutschen Bundes". Mithilfe liberaler Politiker, die keine Republik, sondern eine konstitutionelle Monarchie wollen, booten sie die "Republikaner" um Hecker und Struve aus. Diese radikalisieren sich nun. Hecker folgert enttäuscht: "Es gilt in Baden loszuschlagen!"
Hecker und Struve radikalisieren sich
Anfang April 1848 reist Friedrich Hecker, der Jurist aus dem Kraichgau, nach Konstanz, um eine Freischärler-Armee zu versammeln, die den Großherzog aus dem Land jagen soll. Aber der Plan geht schief. "Es war nasskaltes Wetter um diese Zeit. Und der zweite Grund, der eine große Rolle gespielt hat: Viele wollten noch die Wahl zur Nationalversammlung abwarten“, meint der Regionalhistoriker Hubert Bernnat aus Lörrach.
Bauernhaufen ist den Soldaten des Deutschen Bundes waffentechnisch unterlegen
Ein weiterer Grund: Heckers Bauernhaufen verfügt nur über Sensen und veraltete Vorderlader, die Soldaten des Deutsches Bundes hingegen über Zündnadel-Gewehr und Kanonen.
Hecker scheitert und flieht in die USA
Am 20. April 1848 wird Hecker bei Kandern von Truppen des Deutschen Bundes zurückgeschlagen. Andere Versuchen, in Richtung Karlsruher Schloss zu marschieren, scheitern ebenfalls blutig. Die Revolutionäre fliehen: Hecker emigriert bereits im Herbst in die USA. Struve und der Dichter Georg Herwegh, der den Republik-Anhängern mit einem Trupp von Emigranten aus Frankreich zu Hilfe eilt, ziehen sich mit ihren Frauen, Amalie Struve und Emma Herwegh, in die Schweiz und nach Frankreich zurück.
Zweiter Putschversuch im Herbst 1848 – Struve scheitert erneut
Am 21. September 1848 startet Struve einen zweiten Putschversuch. Er ruft in Lörrach die Republik aus. Doch auch dieses Unterfangen endet in einem Debakel.
Viele Ziele der badischen Revolution sind noch heute aktuell
War die badische Revolution also ein Fehlschlag? So hat es die preußische Geschichtsschreibung seit Bismarck oft dargestellt. Aber 175 Jahre später wird das Bild eines dilettantisch organisierten Abenteuers mit tödlichem Ausgang zunehmend revidiert. Tobias Engelsing, Direktor der Konstanzer Museen, gibt zu bedenken:
Tobias Engelsing hat im Rosgartenmuseum eine Jubiläums-Schau zu 1848 zusammengestellt. "Jetzt machen wir Republik!" zeigt die Situation im Südwesten damals, aber auch das Erbe der Revolutionäre, das bis heute geblieben ist.
Rainer Volk hat sich zum Jubiläum auf die Spuren der Geschehnisse vor der Einberufung der Nationalversammlung in Frankfurt gemacht. Die tagte am 18. Mai 1848 in der Paulskirche.