Der Vorwurf: Fleischer habe im Auftrag des Westens die ostdeutsche Kohleindustrie - und damit die DDR insgesamt - sabotiert und geheime Informationen an West-Agenten geliefert und damit den Nährboden für einen "dritten Weltkrieg" geliefert.
Die Aufnahmen im Kontext
Otto Fleischer und die Dokumentation des Prozesses
Laut dem Gericht hatte Otto Fleischer in Oberschlesien selbst eine Kohlegrube besessen. Er machte in der jungen DDR eine steile Karriere. Er koordinierte den Grubenausbau in Sachsen und bekam seinen eigenen Lehrstuhl an der Bergakademie Freiberg.
Die Aufnahmen des Otto-Fleischer-Prozesses lagern heute in der Stasiunterlagenbehörde BStU. Unser Mitarbeiter Maximilian Schönherr ließ sie für das Archivradio digitalisieren und rettete sie so vor dem Säurefraß.
Große Maschinen und Geld im Westen
Wie viele andere Bergingenieure der Nachkriegszeit, zog es Fleischer in den Westen, wo die großen Maschinen waren und man Geld verdienen konnte. Weil er aber trotz mehrere Vorstöße bei Nordrhein-Westfälischen Energiefunktionären keine Perspektive eröffnet bekam, ließ er sich - so Fleischers möglicherweise unter Druck gemachte Aussage - auf deren Version ein, die DDR so weit zu schwächen, bis die Amerikaner dort einmarschieren und den Kapitalismus einführen könnten.
Geheime Exportverbotsliste soll DDR ausbluten
Fleischer traf sich mit Kollegen (den sieben Mitangeklagten), um in dieser Vision zu schwelgen. Er lieferte vertrauliche Informationen an einen ehemaligen, nun im Westen lebenden Studienkollegen, Clemens Laby. Laby war inzwischen Spion für vermutlich den Vorgänger des Bundesnachrichtendiensts, die Organisation Gehlen, und interessierte sich besonders für Informationen, welche Geräte und Materialien der DDR-Bergbau besonders benötige und nicht aus der Sowjetunion geliefert bekam. Genau diese Objekte kamen auf eine Exportverbotsliste. Ziel war es, die DDR auf diese Weise auszubluten.
Ob Otto Fleischer die Kohleindustrie in und um Zwickau nachhaltig schädigte und als Hochschulprofessor seine Studenten zu anti-sozialistischem Denken animierte, ist nachträglich nicht zu klären. Das Gericht unter dem für seine harten, stets politisch motivierten Urteile bekannten Richter Walter Ziegler war sich dagegen schon vor Prozessbeginn darüber im Klaren, dass man nach dem Arbeiteraufstand am 17. Juni desselben Jahres ein Exempel statuieren musste.
Forschung in der Haft
Man ließ Fleischer in der später von 15 auf 8 Jahre reduzierten Haft großen Spielraum, zu forschen – an Raketenantrieben. Er starb kurz vor der Wende 1989 und wurde bald gerichtlich rehabilitiert.
Auffinden und Digitalisierung des Archivmaterials
In den Archivräumen der Stasi im Ministerium für Staatssicherheit in Berlin fanden die BStU-Mitarbeiterinnen Katri Jurichs und Elke Steinbach 23 Analogbänder auf Wickelkernen, Vollspur, 19 cm/s, Azetatbeschichtung. Die Gesamtlaufzeit dieser Aufnahmen beträgt 30 Stunden. Eine erste Erschließung erfolgte 1998. Die Digitalisierung geschah auf Anregung des Archivradios im Jahr 2012.
Der Prozessverlauf
Der Prozess dauerte eine Woche. Nach heutigen Erkenntnissen stand das Urteil schon vorher fest. Staatsanwalt und Richter spielten sich bei der Vernehmung gegenseitig die Bälle zu. Die 15jährige Haftstrafe war noch ein vergleichsweise mildes Urteil: Ein anderer Spionageprozess zwei Jahre später - gegen Elli Barczatis und Karl Laurenz - endete mit zwei Todesurteilen. Ein weiterer Unterschied: Der Prozess gegen Otto Fleischer war öffentlich. Er hatte somit den Charakter eines Schauprozesses. Der Prozess gegen Barczatis und Laurenz fand geheim statt - wurde aber ebenfalls mitgeschnitten.