21.9.1953

Beginn der Vernehmung des Hauptangeklagten

Stand

Der Beginn der Vernehmung des Hauptangeklagten am 21. September 1953. Mit Oberrichter Walter Ziegler und, gelegentlich, Staatsanwalt Ernst Melsheimer.

Bergbau nach dem Zweiten Weltkrieg

Dieses Tondokument wirft einen Blick auf den problematischen Wiederaufbau des Bergbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und auf zentrale Figuren in dieser Industrie in Ost- und Westdeutschland.

Werdegang Otto Fleischers

Fleischer soll sich besser vors Mikrofon stellen und lauter sprechen, sagen Melsheimer und Ziegler. Er erzählt, dass er eine schwere Kindheit hatte. 1926 Diplomexamen. 1933 Betriebsführer in einer Mine. Ab 1939 technischer Leiter der Gieschegrube in Kattowitz. Musste mit Gestapo zusammenarbeiten. Wer mehrfach krank war, kam in ein Arbeitslager. Hat von 1929-33 einer Freimaurerloge angehört. Unterster Meistergrad. Deswegen konnte er nicht Abwehrbeauftragter der Gestapo werden. Ende des Kriegs Freiberg/Sachsen. 1945 sollte er die Gruben in Sachsen zusammenführen.

Politischer Werdegang: 1929 Freimaurer. 1930 bis 33 SPD. 1946 bis 50 Leitung Sächsische Bergwerke. 1948 habilitiert, diese Arbeit in Westdeutscher Zeitung veröffentlicht worden, dann nach Freiberg, Leiter Lehrstuhl für Bergbaukunde, bis Verhaftung.

1945 trat er der KPD bei, wegen antifaschistischer Einstellung. "War der Meinung, dass ich sie hatte. Habe sie aber nicht praktiziert." "Habe den Faschismus unterstützt." "Wollte mir durch den Eintritt in die Partei eine Stellung beschaffen, sodass ich ähnlich wie in Oberschlesien arbeiten konnte." Parteieintritt sollte ihn aber nicht tarnen, um besser mit dem Westen zu kooperieren. "Habe Marxismus bis zu meiner Festnahme nicht studiert." "War nie klar in meiner politischen Einstellung. Habe an meiner bürgerlichen Einstellung festgehalten." Christliches Weltbild, kein Materialismus. 1948 mit Zeugen Jehovas beschäftigt, bis zu deren Verbot. "Es ist mir bekannt, dass die Organisation als Spionageorganisation entlarvt worden ist."

War für Verstaatlichung der Schwerindustrie und Steinkohlebergbau. Darüber hinaus aber für freies Spiel der kapitalistischen Kräfte.

Melsheimer: "Die Stellung, in der Sie zuletzt tätig waren, die Ihnen also vom Volk gegeben wurde, die hat Ihnen welches Gehalt eingebracht?"
Fleischer: "4000 Mark."
"4000 Mark, und dabei diese Verbrechen?"
"Ja."

Hat mit Kollegen von früher (Oberschlesien) einen regelmäßigen "Erfahrungsaustausch" geübt. Die wichtigste Kontaktperson war Laby. Bergingenieur. Auf Oheimgrube mit ihm gearbeitet und in Berlin mit ihm studiert. Laby ging zur polnischen Kohleverwaltung. 1939 war er bei der deutschen Kohlenverwaltung, 1945 Verwaltung der Brennstoffindustrie in Berlin, November 1945 persönlicher Referent des Präsidenten, Leiter der Abteilung für Steinkohle in der Hauptverwaltung Kohle, der Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie. Laby war im Kartellverband der katholischen Studierenden CV, darüber hatte er viele Kontakte in der Kohlenverwaltung unter Britischer Verwaltung, auch zur North German Coal Corporation. Betrieb als Leiter der Steinkohle regen Austausch mit diesen Leuten im Westen.

Besuch der Westzone

1948 besuchte Fleischer die Westzone, um mit Kollegen über Arbeitsgeräte und Material zu sprechen. Zu West-Gruben-Chef Stephan (Stefan?): Hätte gern eine Stellung bei Ihnen im Westen. Musste im Osten Kompromisse machen, die ich mit meinem Namen nicht in Verbindung bringen wollte. Stephan: Es gibt zu viele Bergbauingenieure (im Westen), die arbeitslos sind. Bleiben Sie im sächsischen Steinkohlenabbau. Da sind Ingenieure mit kapitalistischem Denken wichtig. Ziel sollte sein: Wirtschaftseinheit zwischen Ost und West im kapitalistischen Sinn. "Wir werden noch weniger liefern, auch wegen der Währungsreform. Sie werden wahrscheinlich Ihre Förderung dann noch weiter drosseln müssen. Eine enteignete Wirtschaft können wir nicht unterstützen."

Melsheimer sagt, Fleischer redet drum herum.

1950 bei einer Bergbauausstellung in Essen Sabbas, den er vom Studium kannte, der jetzt das Kohlebüro in Bonn innehat und Verbindungsmann zwischen Kohle und Bundesregierung ist. Traf auch Erlinghagen, Kohlenbergbau Essen, Abteilungsleitung. Der interessierte sich sehr für Bergbau in der DDR, arbeitete Im Unfallschutzbereich, wollte Unfallziffern aus dem Osten. Die sind nicht veröffentlicht. Sollen angeblich veröffentlicht werden, dann, so Fleischer, wollte ich sie ihm geben. Es kam nie dazu. Er wollte Unfallverhütungsvorschriften wissen.

1952 Kippenrutschung in Horrem. Da sollte Fleischer als Gutachter hin. Dort mitgeteilt bekommen, dass die Grube Herrn Wehrhahn gehört, Schwiegersohn von Adenauer, Sohn des Inhabers des Kölner Bankhauses Wehrhahn. Nach 8 Tagen war Gutachten fertig. 20 Mio. Kubikmeter sind gerutscht. Persönliches Gespräch. Wehrhahn: Wie erfolgreich ist die neue Bewegung? Fleischer: Erfolge, aber wir müssen der Belegschaft modernes Gerät geben, sonst geht alles auf die Knochen der Arbeiter. Wehrhahn sieht Vorbild in Amerika und Schweden, mit möglichst wenigen Arbeitskräften hohe Förderung herausholen.

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SWR