21.9.1953

Generalstaatsanwalt vernimmt Otto Fleischer

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Ein im Ton des Generalstaatsanwalts Ernst Melsheimer scharfer Teil der Vernehmung des Angeklagten am vermutlich 21. September 1953. Melsheimer legt dem Angeklagten, auch indem er ihn laufend unterbricht, Aussagen in den Mund, die er vermutlich ohne diesen Druck nicht abgegeben hätte. Otto Fleischer gibt seine kritische Einstellung zur DDR zu und erläutert Maßnahmen, den Bergbau vermeintlich zu schädigen.

In diesem von der Staatssicherheit der DDR angefertigten Tonbandmitschnitt hören wir auch kurz den Verteidiger Fleischers. Verteidiger waren damals Handlanger des Gerichts.

"Wollte, dass Arbeiter protestieren"

Fleischer gibt nach Beharren von Melsheimer zu, bewusst falsche Planung gemacht zu haben. Karl-Marx-Schacht 1 befand sich in schlechtem Zustand. Hätte am Sonntag nicht mehr betrieben werden dürfen. Habe ich erst nach Unfall so entschieden. Habe mir den Schacht gar nicht angesehen.

Beantragung von Westmitteln habe ich zurückgehalten. Da muss man keine Solen mehr anlegen. Habe gesagt, es lohnt sich nicht. Wollte ja nicht ewig im sächsischen Bergbau bleiben. Wollte nur Soll-Erfüllung herausbringen.

Ziegler: Sie verschleiern.

Fleischer: Bin schon mitgenommen in der Verhandlung.
Wollte Volkswirtschaft nicht weiter ausbauen. Habe Westmittel für Übertageabbau genutzt. Ließ Mittel für Werksküche streichen, auch für Sozialbauten. Obwohl gerade DDR-Verordnung herausgekommen war, dass man Clubhäuser und Küchen in großem Umfang ausbauen soll. Wollte die Unzufriedenheit der Bergarbeiter gegen Regierung der DDR fördern. Wollte, dass Arbeiter protestieren.

Ziegler: Wie gingen Sie mit Materialschwierigkeiten um?
Bis 1946 versuchte ich, Material aus Westen zu bekommen. Stahl von Gute Hoffnung Hütte. Das war in meinem Sinn, mit der kapitalistischen Wirtschaft zusammenzuarbeiten. Grubenausbau, Rohrleitungen für alles, Drähte für Seile.

"Darf ich um eine kurze Pause bitten?"

Ziegler: Machen wir eine Pause von 10 Minuten.

Fleischer: Habe die "Neuererbewegung" nicht genügend unterstützt. Auch nicht ganz abgelehnt, es wäre sonst zu offensichtlich gewesen. War dagegen, weil sie Erfolge gebracht hätte. Einige Schächte habe ich gefördert, um zu zeigen, dass ich gute Arbeit leiste.

Zusammenarbeit mit Clemens Laby

Ich gab Anweisung, die Sollförderung zu gewährleisten, aber den Ausbau nicht weitertreiben. Zusammenarbeit mit Clemens Laby (noch DDR Kohle-Funktionär), der das für die Regierung weiterbearbeitet hat. Waren uns einig. Wichtig war, dass Laby in den Kommissionen saß, wo Beschwerden und Einsprüche besprochen wurden. Laby hat "unsere" Meinung vertreten. Hatten aber nur eine (eben seine) Stimme. Abstimmung ist deswegen öfter misslungen.

Der Verteidiger meldet sich mit einer aus dem Zusammenhang herausfallenden Frage: Gibt es Unterschiede zwischen den Arbeitern und ihren Qualifikationen? Fleischer: Ja. Viele können etwas tun, wofür sie eigentlich nicht eingesetzt waren.

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SWR