Bohuslav Martinů, war einer der produktivsten und vielseitigsten Komponisten – und gehört dennoch zu jenen, deren Werke kaum jemand kennt. Die beinahe 400 Werke des Tschechen führen bis heute ein Mauerblümchendasein im klassischen Konzertbetrieb. Der Stuttgarter Generalmusikdirektor Cornelius Meister hat ein Faible für Martinůs Werke: An der Staatsoper Stuttgart hat er mit Sängern des Ensembles und Gästen zwei von Martinůs 16 (meist sehr kurzen) Opern aufgenommen: „Larmes de couteau“ und „Comedy on the Bridge“.
Unsterblich in das Verstorbene verliebt
„Ein Mann ist in der Mitte der Bühne aufgehängt. Der Strick verliert sich in der Höhe. Ein Hund, einen Blinden führend, geht vorbei und schnuppert an den Füßen des Erhängten. Eleonore und ihre Mutter treten auf.“
Das ist die Bühnenanweisung, mit der Bohuslav Martinus Opern-Einakter „Larmes de couteau“, übersetzt: „Messertränen“, beginnt. Das Stück hat ein skurriles Setting: Eleonore verliebt sich nämlich unsterblich in den Toten.
Eine Symbiose aus Strawinsky und Jazz
„Immer wollte ich einen Erhängten zum Mann“, singt Elena Tsallagova als Eleonore mit wunderbar warmem, leuchtendem Sopran. „Und dieser liebkost noch zärtlicher die Augen als Federn des Mondes.“ „Die Nahrung einer Frau“, wird die Mutter erwidern, „ist das Herz eines Geliebten, das man hält in der Hand und das knusprig ist im Biss.“ So bildhaft und so surreal geht es zu in dem Stück, das Martinu 1928 in Paris komponierte – hörbar beeinflusst von Igor Strawinskys Musik wie vom Jazz.
Der Geliebte hat einen Rivalen, der passenderweise Satan heißt, aber bei Eleonore keine Chance hat. Obwohl ihm der Bass Adam Palka mit viel Ausdruck seine sonore Stimme leiht.
Die Ehe mit dem Erhängten geht am Ende nicht gut aus – der Gatte wird zwar auf wundersame Weise wieder lebendig, aber auch in ihm steckt der Teufel. So endet „Larmes de couteau“. Und so beginnt danach das Stück „Comedy on the Bridge“.
Martinu: Ein stilistisches Chamäleon
Die „Komödie auf der Brücke“ entstand sieben Jahre nach „Messertränen“, und auch in diesem Einakter erleben wir den kosmopolitischen Komponisten als stilistisches Chamäleon. Virtuos schmiegt sich die Musik dem Text an, und auf raffinierte Weise wechseln der Tonfall und das szenische Kolorit.
Szenisch befinden wir uns jetzt im Absurdistan irgendwo zwischen Kafka und Ionesco und musikalisch fast schon im Bereich der Operette. Fünf Personen auf einer Brücke können nicht weg, weil rechts und links feindliche Armeen lagern. Was tut man also? Man philosophiert und man flirtet, man ist eifersüchtig.
Guter Klang
Entscheidend ist der Weg zum Ende und nicht das Ende selbst. Unter Cornelius Meisters Leitung sorgen die beteiligten Sängerinnen und Sänger wie die Musiker des Stuttgarter Staatsorchesters dafür, dass man von der spritzigen, verrückten, quirligen Musik in Martinus zwei dunkel-humorigen Einaktern ganz prächtig unterhalten wird.
Gesungen wird nicht nur durchwegs sehr genau und klangschön, sondern die engagierten Akteure sind auch spürbar eins mit ihren Partien, und die Aufnahmetechnik hat mit dafür gesorgt, dass aus den Lautsprecherboxen packendes Theater zu hören ist. Wenn diese Stücke so aufgeführt werden wie hier, haben sie es nicht verdient, in einer Dunkelkammer des Repertoires zu verkümmern.
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