Beethoven träumt von einem Umzug in die französische Musikmetropole. Als Visitenkarte für einen Neustart in Paris komponierte er seine 3. Sinfonie Es-Dur, die „Eroica“.
Als Musikstück der Woche gibt es die Sinfonie im Konzertmitschnitt des SWR Symphonieorchester Baden-Baden und Freiburg zu hören, entstanden auf der Japan-Tournee im Februar 2012.
Ticket nach Paris
Ferdinand Ries ist Beethovens Schüler und von seinem Lehrer enttäuscht: Der plant, Wien den Rücken zu kehren und nach Paris abzudampfen – und zwar ohne seinen Meisterschüler! Ries lässt seinen Kummer darüber sogar in die Geschäftskorrespondenz einfließen, die er für den Komponisten führt.
Von der Donau an die Seine?
Paris ist für Beethoven ein Sehnsuchtsort und von seiner Situation in Wien ist er frustriert: Eine lukrative Festanstellung will sich einfach nicht auftun. Verglichen mit Paris ist die österreichische Hauptstadt klein und die zahlreichen Musikschaffenden stehen im ständigen Konkurrenzkampf um die vergleichsweise wenigen Auftrittsmöglichkeiten. Beethovens Diagnose lautet daher, dass:
Vorausschauendes Komponieren
Beethoven will sich der französischen Musikwelt mit einem breitgefächerten Portfolio vorstellen. Seine virtuose Violinsonate Nr. 9 A-Dur op. 47 widmet er dem französischen Star-Geiger und Konservatoriums-Professor Rodolphe Kreutzer — ein strategischer Schachzug, um Kontakte zur musikalischen Elite Frankreichs zu knüpfen. Und natürlich muss er sich bei einer Umsiedlung nach Paris in der wichtigsten Musikgattung der Stadt behaupten, der Oper. Dafür vertont er das französische Revolutions-Libretto „Léonore“ zu seiner Oper „Fidelio“.
Und auch bei mehreren Sinfonien, die er um 1803 schreibt, scheint er das französische Publikum im Hinterkopf zu haben.
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Zwischen den Stühlen
1803 beendet Beethoven das „(…) nach seiner eignen Äußerung größtes Werk, welches er bisher schrieb (…)“, wie der fleißige Briefschreiber Ries den Verlag informiert. Und er schreibt ihm auch, dass Beethoven es dem größten Franzosen seiner Zeit widmen will: Napoléon Bonaparte.
Doch gleichzeitig ist Beethoven in Wien seinem Gönner Fürst Lobkowitz verpflichtet. Der will das Werk für einige Monate für den exklusiven Eigengebrauch kaufen, und das für die stattliche Summe von 400 Gulden. Außerdem plant Beethoven die Uraufführung des Werkes mit Lobkowitz' exzellentem Hausorchester.
Sturm auf dem Titelblatt
Letztendlich befreit der Lauf der Tagespolitik Beethoven aus seiner Zwickmühle. Im Mai 1805 erreicht Wien die Nachricht, dass Napoléon sich selbst zum Kaiser gekrönt hat. Beethoven ist empört und Schüler Ries beschreibt seine Reaktion in schillernden Farben.
Ganz so dramatisch wird sich die Szene wohl nicht abgespielt haben: Tatsächlich ist das (nicht zerrissene) Titelblatt erhalten. Auf dem ist der Hinweis „intitulata Bonaparte” zwar mit einem Rasiermesser ausradiert, später fügt Beethoven mit Bleistift aber doch noch den Hinweis hinzu „geschrieben auf Bonaparte“. Als Widmungsträger wählt er bei der Veröffentlichung 1806 Lobkowitz aus, der ihm nach dem Preis für den Vorbesitz des Manuskriptes noch einmal 80 Golddukaten zahlt.
Ende eines Traums
1805 bricht der österreichisch-französische Krieg aus und Beethoven begräbt seine Paris-Pläne. Vielleicht reift in ihm auch die Einsicht, dass ein Neustart in Frankreich schwierig werden würde — langsam schwindet sein Gehör und damit auch seine Möglichkeit, als Klaviervirtuose Konzerte zu geben. Da wäre es ein hohes Risiko, die Unterstützung seiner adeligen Gönner in Wien aufzugeben. Eine Vernunftentscheidung, die Beethoven noch Jahre später mit Wehmut erfüllt. So schreibt er 1807 an den Klavierfabrikanten Ignaz Pleyel in Paris: