„Ich möchte, daß Du mehr auf eine bestimmte Form, namentlich in der Modulation sähest – wenn solche Form zerschlagen werden kann, ist es freilich gut, aber dann muß der Inhalt sie von selbst zerschlagen.“
Der das schreibt, klingt mehr wie ein Lehrer als wie der geliebte und liebende Bruder. Und tatsächlich war die Haltung Felix Mendelssohn Bartholdys gegenüber dem einzigen Streichquartett seiner Schwester ungewöhnlich hart.
Ein Werk voller Wagnisse
Diese Angst, in den „neuern Sachen“ auch neue Wege zu gehen, hatte Fanny zu dieser Zeit offenbar nicht. Ihr Quartett ist insofern bemerkenswert, als die Komponistin darin so einige Experimente wagt.
Zum Beispiel steht statt des üblichen Allegro-Kopfsatzes ein wehmütiges Adagio ma non troppo. Die bekrittelte Romanze ist eigentlich eine verkappte Fantasie, mit ungewöhnlichen Tonart-Fortschreitungen und brillanten Einfällen, wie einer groß angelegten Passage, bei dem die Musik langsam beginnt und immer schneller wird.
Das Scherzo in c-Moll verknüpft die Tonsprache Beethovens gekonnt mit Sphären wie der „Gespenster-“ und „Elfenmusik“ Robert Schumanns und des Bruders, wartet außerdem mit einem intensiven Fugato im Mittelteil auf. Das Finale wiederum wirkt nur anfangs brillant. In mitziehender Kraft wird es intensiver, lauter, fast expressionistisch stark – bis zum effektvollen Schlussakkord.
Nach Felix’ Urteil aber war Fanny des Experimentierens offenbar überdrüssig – oder ihr versagte der Mut. Wie auch immer, sie hat kein weiteres Streichquartett komponiert, das uns erhalten ist. Noch nicht mal eine Opuszahl hat das Werk bekommen. Angesichts der Strahlkraft der vier Sätze des Es-Dur-Quartetts, von denen jeder für sich allein wirkt, ist das absolut unverdient.