Musikgeragogik

Musik im Alter: Gemeinsam fit bleiben!

Stand
Moderator/in
Katharina Eickhoff
Interview
Hans Hermann Wickel
Redakteur/in
Rafael Rennicke
Onlinefassung
Sebastian Kiefl

„Je mehr Sie Musik in Ihr Leben lassen, umso mehr steigert das die Lebensqualität auch im Alter“, sagt Hans Hermann Wickel. Er ist Autor des Buches „Musik kennt kein Alter. Mit Musik alt werden – ein Mutmacher“. In SWR2 spricht er über die Bedeutung des gemeinsamen Singens und Musizierens im Alter und gibt Tipps, wie Musik ganz leicht in den Alltag integriert werden kann.

Musik kennt kein Alter – aber Alter braucht Musik. Musik ist Lebensmittel, manchmal sogar Medikament, immer verfügbar, ohne Nebenwirkungen und garantiert wirksam. Die Wissenschaft hat längst herausgestellt, was für eine umfassende Wirkung das Musikmachen haben kann.

Es triggert emotionale Prozesse, fördert die soziale Interaktion und ist noch dazu gut fürs Gehirn. „Die kognitiven Fähigkeiten lassen sich durch Musikausübung trainieren und verbessern“, sagt Wickel, der Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Musikgeragogik ist.

Musik: Medikament ohne Nebenwirkungen

Es sei nie zu spät, mit dem Musizieren zu beginnen, so Wickel. Singen sei dabei das Beste und Einfachste, was man tun könne, wenn man alt wird. Es habe viele positive Effekte, vor allem das Singen in Gemeinschaft, sei es in Chören oder kleineren Singgruppe.

Neuronale Verschaltungen, die aus vielen unterschiedlichen Einzelimpulsen bestehen, setzen kognitive und emotionale Prozesse in Gang, die Körper und Geist gut tun. „Singen lenkt ab von Sorgen und kann Schmerzen zumindest zeitweise wegdrücken“, so Wickel.

Wissenschaftler hätten herausgefunden, dass keine andere Tätigkeit Menschen schneller zusammenbringen und eine Vertrauensebene erzeugen könne als das gemeinsame Singen.

Symbolfoto Senioren im Chor singen vor Klavier
Manchmal darf es auch einfach sein: Singen hat viele positive Effekte für die Gesundheit, vor allem im Chor, wenn man gemeinsam probt.

Singen als Balsam für Körper und Geist

Es gebe viele Menschen, die glauben, sie könnten nicht singen, meint Wickel. „Es wurde sogar ein Ich-kann-nicht-singen-Chor gegründet. Und siehe da: Es waren ganz viele Menschen da, die sich getraut haben, zu singen!“ Wickel will Mut machen, in den nächsten Chor zu gehen und anzufragen.

Viele Chorleiter*innen seien inzwischen darauf eingestellt, ältere Menschen zu integrieren. „Es braucht ein paar Wochen, bis man drin ist, aber dann ist die Freude und die Lebensqualität umso größer.“ Um Chöre für Senior*innen zu finden, hat die Gesellschaft für Musikgeragogik auf ihrer Website ein deutschlandweites Seniorenchorverzeichnis eingerichtet, das ständig erweitert wird.

Besser in Gemeinschaft musizieren

Darüber hinaus gebe es die Möglichkeit, sich auch durch Tanzen fit zu halten – selbst im Sitzen. Und immer mehr greifen Senior*innen auch zum Instrument. „Wichtig ist, nicht alleine mit dem Instrument zu bleiben“, so Wickel, der im Ruhestand damit begann, in der Musikschule Trompetenunterricht zu nehmen.

Mit sich selbst geduldig zu sein und nicht zu hohe Erwartungen zu haben, sei ohnehin ein wichtiger Aspekt im Alter. Mittlerweile gebe es auch zahlreiche Orchester speziell für Senior*innen und kostenlose Online-Plattformen, um Instrumente auszuprobieren.

Außerdem habe der Verband deutscher Musikschulen in seiner „Potsdamer Erklärung“ 2014 beschlossen, dass Musikschulen inklusiv für alle Altersgruppen sein sollten – „und immer mehr Musikschulen machen sich tatsächlich auf diesen Weg“, so Wickel.

Besondere Konzerterlebnisse schenken

Auch im Konzert- und Musikleben wächst das Bewusstsein, Senior*innen spezielle Angebote zu machen. So bereiten sich Studierende der Elementaren Musikpädagogik mit Senior*innen auf ihren künftigen Beruf vor oder Konzertveranstalter initiieren „Konzertpaten“-Projekte.

Musikgeragogik Musik und Demenz: Ein Schlüssel zu den Erinnerungen

Fast 1,8 Millionen Deutsche leiden an demenziellen Veränderungen, Tendenz steigend. Aber eines gilt immer: Musik ist ein Schlüssel ins Reich der Erinnerungen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir Menschen gar nicht mehr erreichen konnten – aber mit Musik ging es.“ Das sagt der emeritierte Professor Hans Hermann Wickel in SWR2, der sich seit langem mit dem Thema Musik und Demenz beschäftigt.

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